Großer Quenkogel, Trompetenmauer, Wasserklotz und Astein

Dieser Bericht handelt von verschwundenen Jagdsteigen, einer gehörigen Portion Masochismus und  dem größten Bio-Komposthaufen der westlichen Welt. Er handelt aber auch von abgeschiedenen Parklandschaften, vermaledeiten Gamssteigen und unsichtbaren Felsabbrüchen.

(Am 11.1.2013 erreicht mich eine Mail des verantwortlichen Gebietsbetreuers des Nationalparks Kalkalpen. In dieser Mail gibt dieser ergänzende bzw. korrigierende Informationen zu meinem Tourenbericht – und vor allem erhalte ich (verdientermaßen) eine höfliche Zurechtweisung. Im Sinne der Transparenz und Information habe ich diese Mail mit seiner Erlaubnis, ungekürzt dem Tourenbericht angehängt.)

Unsere ursprüngliche Idee einer Langfirstüberschreitung fällt den bereits sehr kurzen Tagen zum Opfer. Der Quenkogel ist mangels auffindbarer Beschreibungen reizvoll, und den Wasserklotz kennen wir nur von unseren Schibesteigungen. Alles gute Gründe auf Jagdsteigen direkt zum Quenkogel aufzusteigen, entlang der Trompetenmauer zum Wasserklotz zu gelangen und über den Astein abzusteigen.

Tausendmal fuhr ich an der Einmündung des Holzgrabens schon vorbei, ohne diesem nur einen Funken von Aufmerksamkeit zu schenken. Jetzt bin ich überrascht, wie die Abstürze zurückweichen und diesen Graben freigeben.

Sogar der Hochstand duckt sich neben dem aufgegebenen, kleinen Bauernhaus des Krennbauern vor den steil aufragenden Abbrüchen und Hängen des Quenkogels und Hieflerstutzens.

Kurz nach dem Bauernhaus und einer Brücke suchen wir, allerdings vergeblich, den in  Karten verzeichneten Jagdsteig. Falls überhaupt, ist er nur meterweise erkennbar, dabei  kann es sich bei diesen Spuren auch um Wildwechsel handeln.

Ein irischer Polstermacher hat Steine und Stämme mit seinen grünen, samtenen Moospölstern überzogen.

Vielleicht sind Baumschwämme doch mit Muscheln verwandt.

Wir geben die Suche nach dem Steig schnell auf und steigen in gerader Linie den steilen Waldhang zu einer „Sackgassen-Forststraße“ hoch. Ich habe noch die Hoffung, dass der Steig nach der Forststraße zu finden sein wird, da ich annehme, dass bewegungsfaule  Jäger mit dem Auto bis zum Ende der Forststraße fahren und erst von da an hochsteigen.

Der Aufstiegshang im Rückblick.

Reinhard blickt ungläubig hoch. Hier zieht angeblich der Steig höher. Es gibt ihn nicht oder nicht mehr.

Wir greifen auf unsere schon zuvor angewandte Technik zurück und gehen wieder direkt hoch. Es ist so steil und rutschig, dass es ohne Steigeisen fast nicht machbar erscheint. Das nächste Foto zeigt wieder einen Rückblick auf den bewältigten Anstieg.

Unsere Lage entspannt sich auch am Weiterweg nicht. Diese abschüssigen Hänge erfordern vorsichtiges, ständig auf das Gleichgewicht achtendes Steigen. Immer wieder fasse ich Gräser zu „Griffbüschel“ zusammen und ziehe mich an ihnen hoch.

Vor allem empfinden wir das Queren im steilen Gelände mühevoll und unangenehm. Aber endlich ist dieser letzte Hang erreicht. Wir wühlen uns durch den größten Komposthaufen der westlichen Hemisphäre. Auf, in, und durch modrige zukünftige Baumgenerationen bahnen wir unseren Weg. So wie Achttausender-Besteiger mühevoll durch Schnee stapfen, wühlen wir uns durch feuchtes, rutschiges, knietiefes Laub.

Vermutlich werden wir von diesem Aufstieg eine Staublunge als Erinnerung behalten. Das ist immer noch besser, als eine abgefrorene Nase oder andere Misslichkeiten, die den zuvor erwähnten Höhenbergsteigern widerfahren können. Der Rücken ist erreicht und wir atmen kräftig durch.

Die letzten Meter bis zum Grat empfinden wir als äußerst gerechte Belohnung für unsere Mühsal.

Reinhard erleidet wieder den Zwang zum Gipfelbild. Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Großer Quenkogel (1254 m).

Nur selten lässt der dichte Bewuchs Blicke zu Schwarzkogel (1554 m) und Haller Mauern zu. Hier sieht man die Bärenkarmauer (2172 m) aufragen. Der Blick hinter den Schwarzkogel zur niedrigeren Kampermauer (1394 m) bleibt uns verwehrt.

Vom Quenkogel führen Markierungen in den Vereinsfarben von Sturm Graz den Grat entlang Richtung Wasserklotz. Ob diese Marken etwas mit dem Schutzgebiet zu tun haben oder tatsächlich Markierungen sind, weiß ich nicht.

Ich habe mein Lachen wieder gefunden und freue mich über diese Parklandschaften. Urwaldartig und völlig naturbelassen, wie Heitzmann im OEAV Führer schreibt, schaut mir diese Landschaft nicht aus.

Wir kommen an die erste felsige Stelle, und der von uns nur noch vermutete Steig will uns auf beängstigende Weise über eine sehr abschüssige Stelle führen.

Uns gefällt das ganz und gar nicht, und so steigen wir lieber einige Meter ab und umgehen diese Stelle. Dieser Abschnitt ist bei trockenen Verhältnissen schon haarig, aber heute erscheint er uns zu heikel zu sein.

Rechts der Bildmitte, oberhalb des Saigerintales, thront die Königin (1244 m). Heitzmann schreibt im Buch „Reichraminger Hingergebirge“ über diesen Teil des Waldreiches: „Besonders seltsame Bezeichnungen finden sich gehäuft um das Saigerintal: Trompetenmauer, Königin, Quenkogel und der wohl kürzeste Bergname der ganzen Alpen: Astein“.

Auch der Wasserklotz rückt jetzt endlich ins Blickfeld und mit jedem unserer Schritte auch näher.

Fast übersehen wir die südseitigen Abbrüche der Trompetenmauer. Die nicht allzu hoch aufragenden Felsen wirken brüchig, und wir umgehen sie auf einfache Weise nördlich.

Zwischen Wasserklotz und Trompetenmauer muss es einen mit Steinmännern gekennzeichneten Abstieg in den Holzgraben geben. Wir nehmen uns nicht Zeit, ihn ausfindig zu machen. Ebenso verzichten wir auf das Auffinden des Jagdsteiges in der anderen Richtung zur Hinteren Saigerinhütte.

Wir stehen direkt vor dem Wasserklotz und finden keine Wegspuren oder weiterführende Markierungen. Dann glauben wir in den Abbrüchen an der östlichen Seite Spuren zu entdecken und steigen diese mühsam hoch. Nach einer Viertelstunde müssen wir erkennen, dass wir einer Gamsspur gefolgt sind. Jetzt drehen wir auch nicht mehr um und gelangen doch noch auf die steile Wiese westlich des Kammes. Wir hätten uns einfach links des Wasserklotzes umschauen sollen.

Diese Rinne sind wir mit kräftiger Latschenhilfe hochgestiegen.

Das letzte Stück zum Gipfel vergesse ich auch noch das Felsenfenster zu besuchen, obwohl wir nur wenige Meter daneben aufsteigen.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Wasserklotz (1505 m) ohne Schi und ohne Schnee.

Im Vordergrund der heute noch zu überschreitende Kamm zum Astein und gleich dahinter der Zeitschenberg (1433 m). Im Talgrund die Weißensteineralm und die Dörflmoaralm.

Links im Bild: Bereits mit Schneehaube die Bodenwies (1540 m) und rechts dahinter ist die Stumpfmauer (1770 m)  mit dem Tanzboden (1727 m) erkennbar.

Vom Almkogel zur Bodenwies.

Hinter dem bewaldeten Rücken des Langfirstes ist rund und fast kahlköpfig der Große Größtenberg  (1724 m) zu erkennen und links dahinter schaut auch noch der Hohe Nock hervor.

Westlich des Zeitschenberges dehnt sich das Tote Gebirge aus.

Nochmals gezoomt, der Dürrensteiggrat: Burgspitz, Almkogel, Ennsberg, Ochsenkogel…

…zur Bodenwies

Im Zoom nochmals Stumpfmauer und Tanzboden. Rechts davon ist auch noch der Gamsstein (1774 m) zu erkennen.

Auf dem wunderbaren, buchenbestandenen Rücken erreichen wir über eine kleine Felsstufe den letzten Gipfel des heutigen Tages.

Obligatorisch und unverzichtbar: Foto am Gipfel mit dem kürzest denkbaren Namen: Astein (1419 m).

Ich bin der Meinung, in direkter Überschreitung eine Abstiegsmöglichkeit zu finden. Nachdem ich in felsigen Abstürzen mit einer Hand immer an Latschen hänge, um nicht abzustürzen, geben wir diese Überlegung auf und gehen ein kurzes Stück zurück. Wir steigen Richtung Ahornsattel weglos ab. Diesen Bereich kennen wir von unseren Schitouren.

Auch Gräser tragen Winterfell.

Der Rückweg durch den Holzgraben zwischen Tannschwärze und Trompetenmauer erfolgt auf einer schmalen Forststraße.

Hier kann man erkennen, dass der Winter schon einmal seinen Koffer abgestellt hat.

Für diese gelungene Tour wird uns die letzten Meter sogar der rote Teppich ausgerollt.

Die „überschrittene“ Trompetenmauer von der Forststraße fotografiert.

Wir wandern an schwarzen Jagdhäusern vorbei, vom Wasserrauschen eines Baches begleitet, der trotz seiner Mächtigkeit keinen Namen hat. Dieser laute Geselle mündet am Hengstpass in den Laussabach.

Vieles gäbe es zum Reichraminger Hintergebirge zu erzählen: Warum der Wasserklotz Wasserklotz heißt, welche Tiere wir heute nicht gesehen haben, warum wir praktisch keine jagdlichen Einrichtungen vorgefunden haben, warum wir nur am vorletzten Gipfel Wanderer getroffen haben, wieso es so viele Baumschwämme gibt, warum über den Quenkogel nichts im Internet zu finden ist und weswegen wir im Frühjahr wieder kommen sollten…

Im Anstieg ca. 1180 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 15,2 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Reichraminger Hintergebirge & Sengsengebirge (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Heitzmann, Harant (1996): OÖ-Voralpen. OeAV-Führer, Ennsthaler Verlag, Steyr.

Heitzmann, Harant (1984): Reichraminger Hintergebirge, Ennsthaler Verlag, Steyr.

Mörth/Potuschak (1990): Schitouren zwischen Enns- und Steyrtal. Ennsthaler Verlag, Steyr.

Sieghartsleitner (2009): Der Nationalpark Kalkalpen Weitwanderweg. Ennsthaler Verlag, Steyr.

Hier das eingangs angesprochene Mail:

Sehr geehrter Autor!

Ich bin durch Zufall auf ihre sehr ausführliche Routenbeschreibung von 10.12.2012 gestoßen und möchte als zuständiger Nationalpark Gebietsverantwortlicher auf ihre Fragen antworten die im Laufe ihrer Wanderung aufgetaucht sind!

– Den Hochstand den sie fotografiert haben, steht nicht vorm Bauernhaus Krennbauer sondern vor dem ehemaligen Jägerhaus Vorderholzgraben (Fösleitner).

– Den alten Jägersteig den sie vom Fösleitnerhaus weg gesucht haben, ist wie sie richtig beschreiben nur mehr teilweise erhalten wird auch nicht mehr gepflegt, müsste aber ab der Holzgrabensonnseitstraße trotzdem zu finden sein und geht dann durch bis auf den Quenkogel.

– Bitte zukünftig vorsichtig sein mit diversen Ausdrücken wie „bewegungsfaule Jäger“! Ich darf anmerken dass im Nationalpark Kalkalpen lediglich hauptberufliches Jagdpersonal wie Berufsjäger und Förster den nötigen Abschuss erfüllen! Und wer schon mal die Bergjagd mit all seinen schönen aber besonders anstrengenden Facetten kennen gelernt hat, weiß das unsere Arbeit nicht immer eine leichte ist!

– Zu den von ihnen beschriebenen Markierungen in schwarz weiß möchte ihnen erklären dass es sich hier um Grenzsteine handelt und zwar zwischen den beiden Grundbesitzern Österreichische Bundesforste AG und Erzbistum Salzburg, beide Grundbesitzer haben Flächen in den Nationalpark Kalkalpen eingebracht, das heißt die Steine trennen nicht den Nationalpark Kalkalpen sondern lediglich die Grundeigentümer.

– Wie sie richtig beobachtet haben finden sie auf dieser Strecke wenig bis gar keine Jagdliche Einrichtungen, Grund ist dafür das sie zum Großteil im Ruhgebiet unterwegs waren, d.h. es gibt im Nationalpark Kalkalpen ca. 10.000. ha wo ganzes Jahr keine Bejagung stattfindet.

Sollten sie weitere Auskünfte brauchen einfach unter www.kalkalpen.at, oder www.bundesforste.at, reinschauen.

MfG Roman Paumann Gebietsbetreuung