Ich habe mir ab Mittag freigenommen, um wieder einmal zu einer Eroberung des Nahen aufzubrechen. Dazu begebe ich mich zum Fensterln nach Göstling. Denn ein Schönwetterfenster hat sich nur für mich geöffnet, und das will genutzt werden. Am Hochkar war ich schon oft, aber den Heli-Kraft Klettersteig habe ich noch nicht durchstiegen.
Es ist kühl auf ca. 1400 Meter. Ich parke am unteren Parkplatz und staune über den Schnee im Draxlerloch und im Klettersteig. Mir entkommt ein kräfiges Krawuzi kapuzi, denn mit so deutlichen Spuren von Winter habe ich nicht gerechnet.
Während ich am Parkplatz noch ein Startfoto knipse, flappert ein…
…Hubschrauber in Kreisen über mir: „Habe ich etwas falsch gemacht?“ geht es mir als gelernten Österreicher gleich einmal durch den Kopf. Nur wenige Meter neben mir setzt der Hubschrauber zur Landung an. Ich kann mir nur drei rich importants für einen Hochkarbesuch mit dem Hubschrauber vorstellen: Mateschitz, Stronach oder Schwarzenegger. Schröcksnadel und Lugner sind weder das eine noch das andere, und unser Bundespräsident, der Fischer Heinz, würde zu Fuß oder mit dem Mountainbike heraufstrampeln.
Dem Fluggerät entsteigt keiner von meinen Favoriten, sondern zwei mir unbekannte junge Frauen. Wären das jetzt Gerlinde Kaltenbrunner und Skin, würde ich zum winkenden Schmeichler werden. Aber so tausche ich meine Neugierde gegen eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Wegfindung. Ich gelange zum großen Parkplatz, und hier biege ich beim Alpengasthof auf die Forststraße dahinter ab. Der Klettersteig und die Hochkarhöhle sind schon angeschrieben.
An der Abzweigung zur Hochkarhöhle vorbei, führt der Weg regelrecht ins Draxlerloch hinab.
Weit über mir kann ich schon das bekreuzte Ende des Klettersteigs sehen.
Bevor der Forststraßenweg an seinem tiefsten Punkt im Draxlerloch ankommt, zieht ein Weg zum Klettersteig hoch. Dieser Abzweiger ist nicht beschildert – warum auch immer.
Orange Punkte und Steigspuren führen direkt unter der Wand über beschattete, schneebedeckte Schuttrinnen zur Einstiegsstelle.Trotzdem komme ich ohne Schwierigkeiten zum Ausgangspunkt. Auch im Klettersteig liegt an einzelnen Stellen noch Schnee. Hoffentlich kann ich das, denke ich mir noch.
Der Boden ist völlig vereist, und damit ist mein ungeübtes, ausrutschgefährdetes Anlegen des Klettersteigsets eine gute Aufwärmübung. Dadurch so richtig angeheizt, spüre ich die kalten Eisenstifte und den gefrorenen Felsen nicht. Und weil es gleich hurtig hoch geht, ist mir unter meinem Helm auch weiterhin warm.
Nach mir erreichen zwei schlanke Burschen in Bergrettungsanoraks die Einstiegsstelle. Somit fühle ich mich gut beschutzengelt und steige mit der mir maximal möglichen Leichtigkeit und Eleganz weiter hoch.
Meine kugelschreiber- und tastaturverweichlichten Hände und Arme haben ganz schön zu tun. Die Stifte sind rutschig, und ich muss mich heftig anstrengen. Wenn es eine D-Stelle im Steig gibt, muss diese irgendwo im Einstiegspfeiler zu finden sein. Sonst ist der Klettersteig mit maximal C-Schwierigkeiten angegeben, und so fühlt er sich auch an.
Irgendwie klettern meine Schutzengel wie beflügelt, dynamischer und viel schneller. Das sind die Sechszylinder, und ich bin das Mopedauto – so kommt mir das zumindest vor.
Ich will sie vorbei lassen, aber sie haben keine Eile, denn weiter oben, meinen sie, kommt eine bequemere Möglichkeit zum Überholen.
Das gelingt auch problemlos, und somit fällt ein wenig der Status des Gejagten von mir ab. Ich kann in meinem Tempo weiterbrodeln – wunderbar! Jetzt macht es mir so richtig Spaß, in dieser Wand zu hängen. Ich gelange zu einem baumelnden Holzbalken, der überschritten werden muss. Das ist jetzt weder eine große Herausforderung, noch sonst irgendwie spannend.
Für Spannung sorge ich dann auf der ersten Nepalbrücke selber.
Denn gleich zu Beginn rutscht mir der Sitzgurt zu den Schienbeinen, die Arme des Klettersets verwurbeln sich, und am verlängerten Rücken schaut mir die Haut aus der Hose. Ein prächtiges Bild gebe ich ab.
Der Steig ist insgesamt eher eine lange Querung mit vielen Trittstiften. Trotzdem benötige ich doch einiges an Armkraft, um weiterzukommen.
An der nächsten Seilbrücke bleibt das Set samt Hose zum Glück oben.
Endlich bekomme ich etwas von der Sonne ab. Aber nicht nur ich, auch die vereisten Latschen über mir. Und bei ihrem Anblick läuft es mir kalt den Rücken hinab, denn die piseln mir am Helm vorbei, direkt in den Kragen.
Vor ziemlich genau sechs Monaten habe ich den gegenüberliegenden See am Blachlboden samt dem darüber aufragenden Scheiterkogel (1654 m) besucht.
Der Steig bereitet mir schon Vergnügen, aber gegen sein Ende hin verliere ich meine elastische Geschmeidigkeit. Somit freue ich mich dann auch über seinen Schlussanstieg.
Denn einmal ums Eck geklettert – und aus ist er,…
…der Heli-Kraft Klettersteig. Man beachte meine sonst eher steckenförmigen Oberame, denn ein Hauch von Muskel zeichnet sich jetzt dort ab.
Dieser Steig ist in Erinnerung an die viel zu jung verstorbene Helene Kraft benannt. Cousine von Thomas Sykora und langjährige Mitarbeiterin von Ernst Sykora im Höhentrainingszentrum Schulschiheim am Hochkar.
Gegenüber (da will ich heute auch noch hin) sehe ich zum Scheinecksattel (1529 m) und den bewaldeten Schwarzkogel (1584 m). Gleich dahinter, in der Bildmitte, beginnt der Ostrücken des Gamssteins mit dem Zinken (1400 m).
Jetzt in der Sonne bekommt das Ganze eine sehr frühlingshafte Anmutung.
Von den Latschen tropft hörbar das Eis, und…
…der Boden ist vom Schmelzwasser glitzernd aufgeweicht und matschig. Durch diesen zweiten Frühling wandere ich zum Hochkargipfel. Nur ein Mountainbiker und eine Wanderin begegnen mir.
Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Hochkar (1808 m).
Es ist wonnig warm, windstill und der Tag noch lang. Ich liege gut in der Zeit, und somit ist eine ausgiebige Gipfelbesetzung angesagt.
Hinter den Aufbauten des Hochkars: Der lange Rücken der Kräuterin mit dem Hochstadl (1919 m) als Gipfel. Zugleich ist er auch die höchste Erhebung der Ybbstaler Alpen und nicht der Ötscher (1893 m), wie viele meinen.
Monsieur Peter und der Hochschwab (2277 m). Dieses Konzert wird heuer hoffentlich auch noch gespielt.
Die Besteigung des Hochkargipfels aus der Nordseite von Fachwerk möchte ich auch einmal machen.
Großer Griesstein (2023), Ebenstein (2123 m) und Schaufelwand (2012 m) im Zoom.
Die Überschreitung der selten besuchten Riegerin (1939 m) ist mir an einem Novembertag bereits gelungen (von Gschöder über die Viererscharte hinauf und über die Rotmäuer und das Brunntal hinab).
Die Überschreitung vom Hochkar zum Dürrenstein (1878 m) wird mir hoffentlich auch einmal glücken.
Ich mache mich für den Weiterweg bereit, und auch der Hubschrauber verabschiedet sich mit einer Runde um den Gipfel im milder werdenden Licht.
Ich wandere über den markierten Weg zum Scheinecksattel. Immer über dem Draxlerloch mit Blick zum parallel verlaufenden Klettersteig.
Auf diesem Foto kann man das Abzweigen des unmarkierten Steiges vor dem Einmünden der Forststraße ins Draxlerloch erkennen. Über die mittlerweile schneefreien Schuttreste führt der Weg zum Einstieg.
Einfahrt ins Draxlerloch.
Besser ist es für eine Hochkar Wanderung, diesen Weg auf den Gipfel zu nehmen, statt über die Pisten hochzusteigen.
Der Scheinecksattel (1529 m) ist schnell erreicht, und auch der weglose Aufstieg auf den nächsten Gipfel gelingt völlig sorgenfrei.
Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Schwarzkogel (1584 m).
Über dieses kleine Plateau könnte ich mir den Weg zur Forststraße suchen. Dazu habe ich aber keine Lust. Darum wandere ich zurück in den Scheinecksattel und…
…mit einem letzter Blick hoch zum Klettersteig weiter, in den schon…
…herbstgeküssten Talboden unter dem Hochkarhof.
So irgendwie war das heute.
Weil ich kein Kartograph bin, lässt mein laienhaft erstellter Steigverlauf (siehe nächstes Bild) der Fantasie noch ausreichenden Spielraum.
Wie wir alle wissen, wird unser Güterwohlstand durch Zeitnotstand erkauft. Mit diesem befreiten Nachtmittag, habe ich mich für ein paar glückliche Stunden gegen die materielle Wohlstandsanhäufung gestellt und auf mein immaterielles Sparkonto einbezahlt. Das sollte ich öfter machen!
Im Anstieg ca. 505 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 7,5 km.
Senf dazu? Sehr gerne!
Darf’s ein bisserl mehr sein?
Weitere Unternehmungen in der Region Ybbstaler Alpen (Auswahl):
- Vom Lugergraben auf den Schnabelberg Südgipfel (964 m)
Schnabelberg Südgipfel (964m), Schnabelberg (958m) - Größtenberg bei Gaflenz und Hirschkogel
Größtenberg (907m), Hirschkogel (1078m) - Blitztour Hochkar
Hochkar (1808m) - Sonntagberg mit Schi
Sonntagberg (712m) - Nöhwilassi Prochenberg
Prochenberg (Kreuzkogel) (1123m)
Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.
Meine Quellen:
Ausschnitt aus Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.
Es finden sich im Internet viele Beschreibungen von Heli-Kraft Klettersteigtouren. Unglücklich bin ich über die unvollständige Topo auf bergsteigen.com. Ursprünglich wollte ich darauf verlinken, aber die letzte Seilbrücke scheint in dieser Topo aus 2010 gar nicht auf. Oder die Seite von Göstling-Hochkar.at. Da gibt es nur die angedeutete Möglichkeit eines Topo-Downloads – der funktoniert aber nicht (abgerufen 20.12.2014).
Gute Bilder vom Steig finden sich auf http://www.oeav-events.at (abgerufen 20.12.2014).
Wo sich ein Geocache im Steig versteckt, verrät dieser Blog: http://wolfsberge.over-blog.com (abgerufen 20.12.2014).
Filmaufnahmen gibt es von Christoph Hofschweiger auf Youtube (abgerufen 20.12.2014).
Bei einer Nachschau auf der Facebookseite der Hochkar Bergbahnen habe ich folgenden lustigen Eintrag gefunden: „Los geht’s mit der „After Gaudi“ in der Joschi Bar!“ – „Arschkalt sollte es aber nicht sein“ fällt mir dazu beim Lesen ein.