Landawirseen

Allerprachtvollstes Bergwetter wird für dieses Wochenende vermeldet. Um den anderen Bergsüchtigen auszuweichen und leichter einen Schlafplatz zu ergattern, verlege ich meine Tour auf Sonntag und Montag. Ich will den Hochgolling besteigen. Diese Bergtour ist schon lange eine Herzensangelegenheit von mir, und heute geht es endlich los.

Für mich würde der Zustieg aus dem Ennstal mit der kürzeren Anfahrtszeit der naheliegendere sein. Ich will aber nicht in der Gollinghütte, sondern in der viel kleineren Landawirseehütte übernachten. Somit fahre ich über den Radstädter Tauernpass nach Mauterndorf und Göriach. Wie die ausgestreckten Finger einer Hand greifen die Täler der Südseite weit in die Niederen Tauern hinein. Weißpriachtal, Znachtal, Lignitztal, Göriachtal, Lessachtal usw. Für mich bedeuten diese Ausgangspunkte lange Autofahrten. Touren aus diesen Tälern sind für mich Ybbstaler nur mit einer Übernachtung genussvoll sinnreich.

Mit dem Auto kann ich auf der mautfreien Straße fast bis zum Hüttendorf der Vorderen Göriachalmen (1420 m) fahren. Neun Hütten wurden hier lawinensicher errichtet. Staunend stehe ich vor dem Hüttendorf und den quergestellten, alles überragenden Zwerfenberg. In der Bildmitte kann ich die Hütten der Vorderen Zugriegelalm erkennen.

Viele Tagesausflügler sind an diesem Sonntag unterwegs. Mit Kinderwagen und dem dazugehörigen Kind, mit Oma und dem dazugehörigen Opa und dem eigenen Partner. Alleinstehende findet man an solchen Aufsflugsdestinationen eher selten. Die wollen sich an solchen Tagen  diese Filmfamilienidyllen nicht um die Ohren hauen lassen. Für die meisten sind die Wege rund um das Hüttendorf das Ziel. Andere wollen die Vordere Zugriegelalm oberhalb des Wasserfalles besuchen oder sogar die Landawirseehütte.

Eine Almstraße führt den Göriachbach entlang. An den Ausschwemmungen und mächtigen Anschwemmungen kann man die Kraft des Wassers bei Schneeschmelze oder nach Wolkenbrüchen erahnen. Jetzt präsentiert er sich in bester Sonntagslaune und blinzelt in die Kamera.

Die Straße führt sanft steigend höher und ermöglicht immer wieder solche Rückblicke.

An der Vorderen Zugriegelalm vorbei…

…geht es im mächtigen Taleinschnitt höher. Rechterhand nicht einsehbar, weil einfach zu hoch, ruht der Hochgolling.

Mein heutiges Ziel, der Göriachwinkel, wird von der grün gesprenkelten Ostseite des Hohen Wagens verdeckt.

Die rauschenden Wasser werden aus dem Unteren Landawirsee gespeist. Darüber ragt der Hohe Wagen (2320 m) auf.

Irgendwie ist hier alles größer, ewiger, höher, weiter, machtvoller als in den Bergen daheim. Trotz des blauen Himmels und der wärmenden Sonne ist es dunkler und ernster.

Im Anstieg zur Landawirseehütte mein erster, staunender Blick zum Hochgolling.

Stilleben kurz vor der Hütte.

Ich erreiche die Landawirseehütte auf 1985 Meter Seehöhe. Von dieser Hütte kann man über die Trockenbrotscharte (2237 m) zur Kleinprechthütte gelangen. Der so genannte Höhenweg, der sich unter der Samspitze fast waagrecht in die große Schlucht unterhalb der Gollingscharte zieht, ist gesperrt und nicht begehbar. Somit muss man am Aufstiegsweg aus dem Göriachtal ca. 150 Höhenmeter absteigen, um zum ungefährlicheren Anstieg zur Gollingscharte zu gelangen.

Ich genieße eine ausgiebige Trink- und Schaupause. Nach einer halben Stunde will ich weiter zu den Seen. Ich möchte mein Getränk bezahlen und gebe mich als Schlafgast zu erkennen. Mein Geld wird nicht genommen sondern ich werde gebeten, meine Konsumationen selber aufzuzeichnen und am Tag meiner Abreise bekanntzugeben. Dies kann man wirklich einen Vertrauensvorschuss nennen.

Buchenauer schreibt in ihrem Buch „Verliebt in die Heimat“: „Der Hochgolling müßte sogar unter hohen Dreitausendern eine auffallende Erscheinung sein! Ich finde ihn für die Niederen Tauern auch übermäßig hoch (…)“ Die Frau Professor hat wirklich recht – der Golling schaut selbst von meinem hohen Ausgangspunkt noch so unbetretbar mächtig aus. Ob er für mich besteiglich ist, werde ich ja morgen erfahren.

Ich gehe zu dem nur wenige Minuten von der Hütte entfernten Unteren Landawirsee.

Nochmals huldige ich diesem Blick zu Zwerfenberg und Hochgolling.

Ich steige die wenigen Höhenmeter zum Oberen Landawirsee auf. Mein Zeitvorrat ist heute fast unerschöpflich, da ich auf der Hütte schlafen werde und keine weiteren Gipfelaktivitäten geplant habe. Ich schwelge einfach in diesen Bergkalender-Impressionen

Eigenartigerweise ist der untere See mit blauem Wasser befüllt und der …

…obere See mit grünem Wasser. Ich umrunde den Oberen See und steige danach noch bis zur markierten Abzweigung zu Scharnock (2498 m) oder Pitrach (2396 m) bzw. Krautgartscharte (2293 m) hoch.

Links die Sandspitze (2488 m), Zwerfenberg (2642 m), Gollingscharte (2326 m), Hochgolling (2862 m). Mit diesen Aussichten fühle ich mich in diesem Moment vom Leben bevorzugt behandelt.

Im ruhigen Abendlicht lausche ich noch am Turbinenhäuschen der Hütte. Dieses findet sich, wenig auffallend, im Bereich des Unteren Sees. Neongrün leuchten die Wiesenabschnitte in den steilen Hängen darüber.

Ein Zoom-Foto zur Gollingscharte mit Ansicht des Anstiegsweges (links der Bildmitte). Bis weit in den Juli hinein können hier Schneefelder liegen. (Ein hartnäckiges kleines  Überlebenskünstler-Schneefeld findet sich noch links im Bild).

Landawirseehütte und Samspitze (2381 m).

Das Hüttenkreuz, dahinter in der Bildmitte das Scharnock (2498 m) und rechts der Kübel (2354 m). Links aufragend ist auch noch die Rotsandspitze (2481 m) im Bild.

Ich habe meine Schlafstatt schon am Vortag reserviert und darf in einem Dreibettzimmer ohne Fremdschnarcher übernachten. Auch eine Dusche kann ich mir genehmigen. Das ist echter Luxus in so einer kleinen AV-Hütte.

Meine Vorfreude ist vielleicht ersichtlich, meinen Respekt vor der morgigen Tour kann man aber auf diesem Foto nicht ersehen.

Mein tolles Zimmer…

…mit Bergblick.

Mit diesem Bild in meinem Kopf  u n d  vor meinem Fenster schlafe ich hoffnungsfroh ein.

Im Anstieg ca. 830 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 9,7 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

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Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Auferbauer (2000): Bergtourenparadies Steiermark: Alle 2000er vom Dachstein bis zur Koralpe. Verlag Styria, Graz.

Auferbauer (1987): Niedere Tauern. Verlag Stocker, Graz-Stuttgart.

Buchenauer (1987): Höhenwege in den Niederen Tauern. Verlag Bruckmann, München.

Buchenauer(1975): Verliebt in die Heimat. Leykam Verlag, Graz.

Hödl (1998): Vom Dachstein ins Weinland: Neue prachtvolle Touren am Dachstein, in den Tauern und zu den hohen Almen. Verlag Styria, Graz.

Holl (1972): Schladminger und Radstädter Tauern. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

Holl (2005): Niedere Tauern. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

Wödl (1924): Schladminger Tauern. Verlag Artaria, Wien.

Zahel (2006): Die schönsten Gipfelziele zwischen Rätikon und Tauern. Verlag Bruckmann, München.

Zeller (2010): BergErleben Bd. 3, Wölzer Tauern, Rottenmanner Tauern, Schladminger Tauern. Verlag Gertraud Reisinger, Spielberg.f