Mittelgeheime Geheimwanderung in Waidhofen/Ybbs

Wanderungen, die uns keine allzuweiten Anreisen abverlangen, werden in Zeiten des Klimawandels immer wertvoller. Ich vermute ja, dass auf den eigenen Hausbergen noch viele, wenig bewanderte Wege existieren. Von solch einem Pfad im Bereich meiner Heimatstadt erzählt dieser Blogeintrag. Diesmal begleiten mich Gabriele und ihr Bruder, mein hagridartiger, rauschebärtiger Schwager. Vor Freude umarme ich die beiden, bevor’s losgeht.

Schon einmal war der wunderbare Lugergraben Ausgangspunkt für eine ausgiebige Wanderung: Vom Lugergraben auf den Schnabelberg Südgipfel (964 m).

Nicht nur in den Graben, vielmehr auch in einen freundlich warmen Frühlingstag, wandern wir hinein. Dieses Jahr stockte das Rad der Jahreszeiten ein wenig, doch jetzt hat es sich schwungvoll in den Frühling gedreht.

Auf der anderen Bachseite, beim Haus Vorderlug, bewohnen Geißen, Hasen, Hühner und Gänse ein kleines, einzig für sie geschaffenes, Paradies.

Beim riesigen Haus Mitterlug, nach zirka einem Kilometer,…

…biegen wir die Straße links…

…zum Häuschen mit der Quellfassung ab. 

Blick zurück aufs Haus Mitterlug.

Die Waldeskühle kommt uns nicht ungelegen.

Die Forststraße steigen wir hoch – und das ist der Teil der Wanderung, der sich ein wenig zieht. Nach diesem Steinbruch gehen wir nicht gerade aus,…

…sondern steigen in der Linkskurve weiter hoch.

Jetzt schenkt uns der Forststraßenanstieg erste Ausblicke, wie auf den Waidhofner Hausberg: Buchenberg (790 m).

Und sogar einen Teil unseres Rückwegs können wir ausmachen. Am Rand der grünen Wiese werden wir absteigen und dabei am aufgegebenen Bauernhäuschen Lugerreith vorbeigehen.

An dieser Stelle nehmen wir wieder die Linkskurve – bald schon haben wir den straßenlastigen Abschnitt dieser Wanderung geschafft. Danach wird es nur noch großartig sein. 

Wie diese vielarmige Buche durch die Kraft des Frühlings zu tanzen scheint, werden bald  auch noch andere Bäume am Bergrücken wie aufblasbare Schlauchfiguren mit erstarrten wedelnden Armen für uns taumeln. 

Eine Glanzumflossene!

 Und der Schwung, der Jahre benötigt, ist für uns Kurzlebigen nur zu erahnen.

Hier zeigt uns ein liebevoll geschnitztes Schild, wie sehr Romy Schneider und die Sissi Filme…

…Wort für Wort in das Volksgedächnis Einzug gehalten haben (Filmchen dauert nur vierzig Sekunden):

Und exakt bei der tanzenden Buche und dem darunter befindlichen Ruhebankerl verlassen wir die Straße und betreten den Bergrücken.

Auf einem zwar unmarkierten, aber wunderbaren Steiglein…

…prasselt grüner Lichtregen unentwegt auf uns herab.

Vorbei geht’s an Bäumen, die so gerade, wie am Senkblei entlanggewachsen sind, als wäre jeder einzelne als Hauptmast für ein königliches Segelschiff vorgesehen.

Auf ein langes Spalier, bestehend aus lauter aus der Reihe tanzenden Buchen,…

…folgt ein säulenwaldiger Wegabschnitt. Daran schließt ein Sektor…

…mit offensichtlich noch sehr wackeligen Nachwuchssäulen an. Sie scheinen zu schlackern, wie zu schnell gewachsene Dreizehnjährige. Da stimmt noch vieles nicht.

Über unseren Köpfen entfalten sich in der ersten Wärme des Jahren die jungen Blätter an den Bäumen. Fast können wir es hören.

Ausblick zum Hütterkogel.

Kaum zu unterscheiden von den Bäumen, die es rundherum umstehen, befindet sich das Glasthüttenbergkreuz.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Glashüttenberg (868 m). Nach einem Eintrag ins Gipfelbuch wandern wir gleich weiter. Nur noch ein Kilometer und hundertzwanzig Höhenmeter trennen uns vom höchsten Punkt dieser Wanderung.

Dabei lege ich immer wieder kurze Gedenkmomente ein. Wir bewegen uns auf Pfaden, welche mein mittlerweile verstorbener Vater über alles liebte. Auch noch als Siebzigjähriger eilte er von Baum zu Baum und durchstreifte, ein halbnackter Waldschrat, fast täglich auf abgelegenen Wegen die Wälder rund um Waidhofen.

14. Juni 2005

 

14. Juni 2005

Nie um ein kleines, Geschick erforderndes Aufplustermanöver verlegen,…

14. Juni 2005

…füllte er fast im Alleingang in dieser Zeit die Gipfelbücher beim Glashüttenbergkreuz und dem Weißen Kreuz.

14. Juni 2005 Kurt Sonnleitner beim Glasthüttenkreuz.

 

14. Juni 2005 Gipfelbucheinträge Glashüttenkreuz.

Und wie viele andere auch, deren Eltern verstorben sind, denke ich mir jetzt, wo es zu spät ist: Ich hätte viel öfter mit ihm unterwegs sein sollen.

14. Juni 2005

Auch mein Papa ist gerne vom Weißen Kreuz (969 m) hierher und wieder zurück gewandert. Auch er hat seinen Anteil daran, dass der Pfad jetzt ein weniger stärker ausgetreten ist.

Nach einer Viertelstunde erreichen wir…

…das Weiße Kreuz. Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Weißes Kreuz (969 m).

Wenige Meter unterhalb wurden umfangreiche Sturmschäden aufgearbeitet und somit ein großartiger Ausblick aus dieser Waldlandschaft geschaffen. Die Sonne hat den Boden bereits angewärmt, es duftet nach Holz, frischem Gras und Frühling.

Beim Blick auf die Berge rundum…

…kommen mir neue Tourenideen aber noch viel öfter…

…Erinnerungen an bereits erlebte Gipfelbesteigungen.

Sogar ein Bankerl zum Rasten findet sich und auch noch andere…

…holzwarme bequeme Sitzmöglichkeiten. Wie die wärmebettelnden ersten Fliegen des Jahres bleiben wir…

…lange in der wohligen Spätvormittagsonne sitzen. Aber irgendwann müssen wir weiter. Es fällt uns diesmal besonders schwer, aus der behaglichen Trägheit wieder in die Aktivität zu wechseln.

Der Weiterweg führt uns jetzt…

…über den nordwestlichen steil fallenden Gratrücken nach Oberösterreich. Dieser Weg ist markiert und einfach zu gehen.

Auch dieser Abschnitt zeichnet sich durch viele schöne Momente aus.

Bald schon haben wir diesen nahen Blick auf Lugerreith. Wir müssen nur noch den Sulzkogel umwandern, um anschließend dorthin absteigen zu können.

Hoch über dem Lugergraben blicken wir in den immer flacher werdenden Osten.

Und für alle, die wissen wollen, wohin der Blick entlang des Lugergrabens führt…

…und wo er sich am Horizont verliert, habe ich entlang des Grabens eine rote Linie gezogen.

Unser Weiterweg führt jedoch in die andere Richtung. Wir gelangen an diese Stelle, und hier heißt es kurz aufmerksam sein. Der markierte Weg macht einen scharfen Knick nach links, und nur geringe Pfadspuren führen gerade aus. Bliebe man auf diesen sich bald verlierenden Pfadspuren, begänne bald schon der weglose Aufstieg auf den Sulzkogel (868 m). Hier könnte man die Landesgrenze von NÖ zu OÖ entlangwandern. Der Aufstieg ist nicht schwierig, nur der Abstieg führt dann in etwas felsiges Gelände – das man letztendlich auch in steilem Gelände umwandern kann. Im Anhang findet sich eine kurze bebilderte Beschreibung der Überschreitung.

Wir sind zuvor an keinem einzigen Ameisenhügel vorbeigekommen, aber jetzt, auf der  wärmeren Südseite, wächst einer nach dem anderen wurlig-wuselig aus dem Boden. 

Nur kurze Zeit später schimmert es hell durch die Bäume, und dort, wo der markierte Pfad  einen scharfen nordwestlichen Knick macht, steht man vor diesem Ungeheuer. Einer grundschlimmen Straßenbautat.

Einer dieser sinnlos Reichen hat seine Jagdvilla im Lugergraben mit einem gerade erst erworbenen…

…uraltem Bauernhaus verbunden. Das Haus Ober-Steinriegl steht seit 1529 hier an dieser wunderbaren Stelle. Nach Kriegsende, am 26. Dezember 1946 wurden die Besitzer des Hauses, Ferdinand Forstenlehner und seine Gattin Christine, in der Stube von zwei unbekannten Männern erschossen. Jetzt gehört dieses Bauernhaus, mit dem großartigsten Ausblick in den Süden und den ganzen Tag in der Sonne,…

…einem Investor und wird zu einem Wochenendquartier für Jagdgäste, oder wen auch immer, aufwändig umgebaut. Nicht einmal drei Kilometer sind es jetzt von Haus zu Haus. Der Straßenbau wurde aus forstlichen Gründen (Borkenkäferbefall) noch vor dem Erwerb des alten Bauernhauses genehmigt, und trotzdem finde ich es bedrückend. Ein wenig traurig…

…schleichen wir von der Baustelle fort.

Jetzt ist es noch uraltes Bauernland, was wird es morgen sein?

Beim Bauernhaus Obersulz, mit seiner kleinen Kapelle,…

…biegen wir auf der Forststraße rechts ab. Beim Anblick der Markierung auf dem Drainagerohr unterhalb der Straße schleicht sich wieder ein Lächeln in unsere Gesichter. Das finden wir dann doch wieder amüsant. 

Blick zurück.

Der Forststraßenabzweiger nach links führt zum markierten Aufstieg auf den Schnabelberg. Wir wandern jedoch noch ein paar Meter gerade aus,…

…bis der Weg aus dem Lugergraben einmündet. Unterhalb der Felsen des Sulzkogels wandern wir…

…zur Lugerreith Hütte. Die befindet sich nur wenige Meter unter der Sulzer Höh‘.

Hier gibt es sogar ein „Hüttenbuch“, und natürlich tragen wir uns ein.

Wenige Meter hinter der Hütte (Pfadspuren oder ein paar Meter auf der Forststraße bergab und dann links) gibt es dieses herrliche sonnige Rastplätzchen.

Aus dem früheren Pfad ist jetzt eine von Holzbringungsarbeiten ziemlich zerfurchte Forststraße geworden.

Vom alten Bauernhaus Lugerreith…

…blicken wir hoch zum eben noch überwanderten Bergrücken.

Wir erzählen auch den neugierigen Kälbern davon, wie schön es da oben bei den Bäumen ist und empfehlen ihnen bei nächster Gelegenheit eine Ausbüxung. Dennoch verschließen wir sorgfältig wieder das Gatter zu ihrer Weide.

Bäume

Die Bäume setzen wieder Knospen an, wie etwas fast Gesagtes; die jungen Triebe dehnen sich und sprießen, ihr Grün ist eine Art von Traurigkeit.

Liegt’s daran, daß sie immer wiederkehren und wir älter werden? Nein, sie sterben auch. Ihr Kunststück, jedes Jahr ganz neu zu sein, kerbt sich in Ringen in die Rinde ein.

Und doch, die ruhelosen Burgen schlagen mit voller Dichte aus in jedem Mai, das letzte Jahr ist tot, so scheinen sie zu sagen, fang wieder neu an, neu.

Philip Larkin (Gedichte, Stuttgart 1988)

Die Jagdvilla am anderen Ende der „Verbindungsforststraße“.

Nicht nur wir sind wieder im Lugergraben angekommen,…

…auch der Frühling hat mittlerweile mit blühender, bunter Wucht aufgeschlagen.

Schön war’s, danke Gabriele und Christian.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Ybbstaler Alpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Im Anstieg etwa 720 Hm und zurückgelegte Entfernung nahezu 14 km.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.

Gaflenz (2020): Heimatbuch Gaflenz, Gestaltung und Konzeption: Atelier Brachner, Amstetten und Johannes Zachhuber, Neuhofen. Eigenverlag der Gemeinde Gaflenz.

Mein Blogeintrag vom  4.11.2017: Vom Lugergraben auf den Schnabelberg Südgipfel (964 m).

Mein Blogeintrag vom 19.5.2012: Sonnbergspitzl und Weißes Kreuz

Mein Blogeintrag vom 30.05.2012: Glashüttenberg über das Weiße  Kreuz

Über den Sonnberg-Kamm und Schnabelberg nach Waidhofen an der Ybbs. auf inntranetz.at (abgerufen am 14.8.2021)

EPILOG

Bei einer meiner vielen Erkundungswanderungen rund um Waidhofen, habe ich auch den Sulzkogel bestiegen. Der ist ein auch von weitem zu sehender spitzer Kerl zu dem auch der rechts davon befindliche Waldhügel dazugehört:

Dort, wo der markierte Weg im Abstieg vom Weißen Kreuz den scharfen Knick nach links macht, gehe ich den geringen Pfadspuren geradeaus nach. Die Pfadspuren verlieren sich,…

…und in einfachem Waldgelände gelangt man… 

…auf den Gipfel mit seinem…

…Gipfelameisenhaufen. Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Suzlkogel (868 m).

Nahe den östlichen Abbrüchen steigt man wenige Meter ab und danach pfadlos wieder wenige Meter an.

Bis dann der endgültige, felsige Abstieg in Richtung Sulzer Höh erreicht ist.

Eine Steilstufe mit fünf bis zehn Metern lässt sich vorsichtig abklettern abwandern.

Danach liegt schon die Sulzer Höh vor mir.

Für einen eventuell von dort angepeilten Aufstieg könnte der große Stein in der Bildmitte als grobe Orientierung dienen.

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.

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