Nicht zu unterschätzen: der Noten (1640 m), mit der Strenge schon im Namen.

Gibt es eine angemessenere Tourenwahl zum Schulschluss, als auf den Noten zu wandern? Auch wenn ich kein Schüler mehr bin – aus Solidarität und Anteilnahme: Mit denen, die aufatmend durchgekommen sind und mit jenen denen, welchen noch ein Nachzipf ins Haus steht. Auch ich gehörte einmal zu jenen denen. Und mit dem Lernen für die Nachprüfung verleidete ich mir einen bikinitragenden, tirolernussölduftenden, twinnieisgekühlten, fiebrigheißen Supersommer.

Also lautet ein Beschluß, daß der Mensch was lernen muß. (Wilhelm Busch)

Fast noch am Beginn des Steinbachgrabens, nahe dem kleinen Fußballfeld,…

…hoppala, falsches Foto, also nahe dem kleinen Fußballfeld…

…lasse ich mein Auto stehen und wandere fast drei Kilometer den Steinbach entlang. Mir ist der für meine geplante Runde erforderliche Straßenhatscher am Beginn der Tour lieber, als am Ende des langen Tages. Vom Morgentau versilberte Gräserspitzen funkeln in der Frühsonne. Der zu erwartende heiße Tag ist schon aus seinem östlichen Startloch gerollt.

Kühle spenden nicht nur die Fels- und Baumschatten. Auch der Steinbach und eine starke Karstquelle, die aus ihrer Höhle Bergkälte mitbringend, lärmend, weißfaserig, aus dem Berg splittert, tragen dazu bei, die Temperaturen im Graben schluchtkühl zu halten.

Eine Informationstafel weiß zu berichten, dass das Wasser aus dieser Quelle vor Zeiten am Plateau des Dürrensteinmassivs versickert ist. Weiters berichtet sie auch von einer Legende, in welcher einer Sennerin auf der Legsteinalm ein Butterstriezel in eine Doline gefallen war, der bei dieser Quelle wieder zum Vorschein gekommen ist. Ich stelle mir das lustig vor, wenn so ein gelber Butterstriezel wie ein Yellow Submarine…

…durch die kühlen verschlungenen Höhlungen des Berges flutscht. Ich kann das Durchglitschen fast nachfühlen, während ich mich jetzt selbst, wie ein Fieberzäpfchen, in den Berg einführe. Bei jedem Fahrzeug, und es kommen gar nicht wenige, drücke ich mich gegen die nasse Tunnelwand – ich will nicht übersehen werden, und Beleuchtung gibt es im Stollen keine.

Am Südportal mündet der „Weg durch die Nothklamm“ ein. Nicht zu verwechseln mit der Nothklamm in Gams. Jetzt ärgere ich mich über meine schludrige Tourenplanung, den Weg hierher hätte ich ohne großen Aufwand auch durch die Klamm wandern können, am Beginn der Tour, beim Fußballplatz, hätte ich nur auf die andere Bachseite gemusst. Vielleicht passt es ja ein andermal, tröste ich mich.

Wilder als die Ybbs gebärdet sich der Steinbach – so tief, breit und laut kommt er daher.

An diesem Teich, auf zirka 601 Meter Seehöhe, ist der Parkplatz, und hier beginnt der markierte Weg zur Ybbstalerhütte.

Der Aufstieg findet, bis auf wenige Abkürzungen, fast durchgehend auf der Forststraße statt.

Über dem Almwaldbach kann ich den Hochkogel (1246 m) sehen. Den will ich heute auch noch besteigen.

Bei der Jagdhütte Dürreck (980 m)…

…beginnt eine dieser Abkürzungen. Dieser markierte Pfad mündet unterhalb…

…der Felsen von der Gschwendmauer wieder in die breite Forststraße.

Dann ist es nicht mehr weit zum felswandnahen Anstieg aufs Plateau.

Und am Plateau darf man nicht erschrecken. Die Landschaft besitzt eine gewisse Drastig und schaut irgendwie zerstört aus.

Das ist sie auch: 2007 passierte der ungeordnete, unerwartete, von niemand gewünschte Kahlschlag durch den Orkan Kyrill und 2008 setzte Orkan Emma das Zerstörungswerk in der bereits angezählten Waldlandschaft weiter fort.

Die Forst-wegräum-Arbeiten haben den Boden verdichtet und apfelbraune Lacken und Tümpel hinterlassen.

Auf 1343 Meter Seehöhe, mitten in diesem Steine-Baumstrunk-Teppich, steht seit den 1920er Jahren die Ybbstalerhütte.

Für ein Getränk setze ich mich in respektvoll-eigensinnigem Abstand zu den anderen Hüttengästen auf die Hausbank,…

…und dabei bleibe ich nicht unbeobachtet. Aber ich beobachte zurück – ganz ohne Worte. Hüttensitzen mag ich, mögen meine Beine, mag mein Hinterteil, meine Augen und alle meine Nervenenden. Allzulange kann ich jedoch nicht bleiben. Ich will ja auf den Noten. Seinen Vorgipfel sehe ich bereits hinter den Kühen aufragen.

Eines hat sich mit den Stürmen jedoch massiv verbessert: Die Aussicht ist hervorragend.

Die Dürrensteinalm ist nahe und dahinter, mit seinem gerupften Bürzel, ist der Vorgipfel des Hühnerkogels (1651 m) zu sehen.

Der Weg auf den Noten führt in die andere Richtung und beginnt hinter der Hütte. Er schlängelt sich…

…durch diese sturmgerodete Landschaft. Ich versuche mir vorzustellen, wie es hier gleich nach den Orkankarussell ausgesehen haben muss: Mikadogleich.

Diese junge Kuh spielt Guck Guck…

…Tschaaa mit mir. Wir finden es beide lustig.

Erst später kommt mir der Gedanke, dass es die Kuh war, die sich versteckt und gezeigt hat, und ich ganz Kind, glucksend gelacht habe.

Blick über das gewellte Karstgelände: Großer Hühnerkogel (1651 m).

Völlig unerwartet und somit überrascht stehe ich im unüberschaubaren Gelände immer wieder vor Kühen. Die sind Wanderer gewöhnt und rühren kein Hörndl. Trotzdem tänzle ich jedesmal einen kleinen Bogen um sie – man muss Kühe ja nicht kränken, indem man vor ihren Augen ins Futter steigt.

Tiefe Dolinenrisse…

…und in Latschen gefangene Steine und Bäume machen die Landschaft unübersichtlich, bis endlich…

…der Gipfel in Sicht ist. Für den Weg hierher sollte man nicht zimperlich sein, denn fürs Höhersteigen über Kalkkarren, Steine, Latschenwurzeln und hohe Tritte benötige auch ich ein wenig Gelassenheit.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Noten (1640 m).

Und nein – so streng ist der Berg gar nicht. Die 1150 Höhenmeter, die es auf den Noten braucht, sind durchgängig kurzweilig. Vielleicht meint ja Noten gar nicht die strenge Leistungsbeurteilung, sondern mehr eine lustige Melodie.

Abschließend zur Notifizierung möchte ich einflechten, dass der Gipfel in alten Karten „Notten“ benannt ist, und wenn ihm nicht der Orkan Kyrill das zweite „t“ weggeblasen, sondern nur ein unkonzentrierter Kartograph falsch abgeschrieben hat, der Name unter Umständen vom mittelhochdeutschen notten„, dem sich hin und her bewegen“ stammen könnte (deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm). So oder so ist dieser Gipfelname in Österreich (fast) einzigartig, denn nur am nahen Hochkar findet sich auch die Benennung Noten, zwar ohne Höhenangabe, jedoch weist Leopold in seinem Tourenbuch 1724 m dafür aus: Über die Schwarzalm zum Hochkar.

Ich will es mir gemütlich machen und werde trotzdem hektisch: Alles will ich gleichzeitig angehen: Meine Jause essen, Notizen machen,…

…mich ins Gipfelbuch eintragen, darin lesen, Gipfel bestimmen und…

…fotografieren. Der Blick in Richtung Dürrensteingipfel zeigt nicht den Hauptgipfel, der verbirgt sich hinter der sichtbaren Vorerhebung.

Der Sperriedel. Über diesen Kamm (und den Ringkogel)  führt die Alpintour vom Hochkar auf den Dürrenstein bzw. Ötscher.

Auf den Ringkogel führt nicht nur die Alpintour vom Hochkar, sondern ein besonders schöner Zustieg von Hochreith (Leckermoor), wie hier nachzulesen ist: Berg mit geringer Mortalitätsrate nebst Dann-und-wann-Tsunami: Ringkogel (1668 m).

Blick in den Westen.

Nordwesten

Vom Noten geht’s steil hinab in die Wildnis Dürrenstein: ein UNESCO-Weltnaturerbe, wie der Yellowstone Nationalpark oder die Galapagos Inseln! Der eigentliche Urwald liegt östlich des Dürrensteingipfels.

Auf Alpen-Panoramen.de gibt es ein einziges Panoramafoto vom Noten. Dietrich Kunze © hat es gemacht. Einfach ins Bild klicken.

© Dietrich Kunze auf Alpen-Panoramen.de

Im Osten ragt der Ötscher (1893 m) auf und am Dürrensteinplateau befindet sich noch das Rosseck (1661 m).

Ich will noch den zweiten Notengipfel besteigen. Nur eine kleine Einsenkung trennt mich von ihm.

Das Hinüberwandern ist ein einziges Vergnügen.

Obligatorisch und unverzichtbar: Noten II.

Blick auf Ybbstalerhütte und Dürrensteinalm. Dahinter „ragt“ das Hirzeck (1445 m bzw. 1565 m) auf.

Blick auf den Notengipfel.

Aus „Försters Touristenführer in Wiens Umgebungen Band V“ von 1912 stammt dieser Kartenausschnitt. Er ist in vielerlei Hinsicht interessant, und ich greife nur ein paar Auffälligkeiten heraus. Da gibt es noch einige mehr:

  • Es gibt noch keine Ybbstalerhütte und auch die Dürrensteinalm ist nicht eingezeichnet. Lediglich die Wiesenalm ist vermerkt.
  • Der Noten wird noch Notten geschrieben.
  • Das Hirzeck hat noch keinen Namen.
  • Vorm Hochkogel gibt es noch einen Kreuz Kogel.
  • usw. usw. usw.

Mein Tipp: Die Karte herunterladen (rechte Maustaste), sodass sie als jpg-Datei danach beliebig vergrößert werden kann.

So gut es im unübersichtlichen Gelände machbar ist, halte ich mich an die westlichen  Abbrüche und suche mir…

…einen Weg…

…auf den höchsten Punkt der Gschwendmauer.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Gschwendmauer (1386 m).

Von dieser steige ich ziemlich direkt auf die Forststraße ab.

In den Einschnitt zwischen Gschwendmauer und Hüttenkogel führt eine Schiroute…

…auf den Noten. Das wußte ich bis dato auch nicht.

Bis zur Ybbstalerhütte gehe ich nicht zurück, sondern steige schon vorher auf dem Anstiegsweg bis zum Parkplatz unterhalb der Hütte ab. Nur mit Berechtigung kann man hierher fahren, und das spart viele Höhenmeter. Jedoch einmal im Jahr gibt es für jeden eine Erlaubnis, und jeder bekommt die Möglichkeit. Davon werde ich schon bald berichten und den Termin für 2020 mitteilen.

Forststraßenfadisiert steige ich in Richtung Hochkogel ab.

An geeigneter Stelle verlasse ich die Straße und wandere die wenigen und unschwierigen Meter hoch.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Hochkogel (1246 m).

Nach dem Hochkogel steige ich wieder auf die Forststraße ab und verlasse sie erst dann, um den…

…letzten Gipfel, über gerade noch durchschreitbares, hochsprießendes Waldgehölz…

…zu erreichen. Völlig unspektakulär und nur für mich und ein paar andere Gipfelzwängler wichtig:

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Stierkopf (1061 m).

Von diesem aussichtsfreien Gipfelchen steige ich wiederum zur Straße ab und bleibe auf dieser lange, sehr lange. Meine Beine sind jetzt schon ein wenig schwer und der Geschwindschritt will mir nicht mehr so recht gelingen.

Kurz vorm Auto noch ein letztes Foto: Blick auf den langgezogenen Rücken mit dem Großschöntaler Berg (881 m). Dahinter liegt Hochreith mit seiner weithin bekannten Panoramaloipe und etwas südlich davon das Hochmoor Leckermoor.

Im Anstieg etwa 1270 Höhenmeter und zurückgelegte Entfernung nahezu 23,7 Kilometer.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Ybbstaler Alpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Online-Version vom 02.02.20 –  einem palindromischen Datum.

Abgesehen von seiner lesenswerten Notenbesteigung und guten Fotos sind bei Felix  die schlimmen Ausmaße der Auswirkungen der Sturmschäden, auch noch 2014, gut zu sehen: http://www.inntranetz.at/galerie/touren/2014/notengipfel.html (abgerufen am 2.2.2020 – einem palindromischen Datum)

Leopold hat sich 2009 gleich drei Tage am Dürrensteinplateau herumgetrieben: https://www.paulis-tourenbuch.at/2009/20090908_alpinweg.html (abgerufen am 2.2.2020 – e.p.D.)

Das Bild vom Lehrer Lemke an Beginn des Blogeintrags: Wilhelm Busch Gesamtausgabe in vier Bänden, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=816179 (abgerufen am 2.2.2020 – e.p.D.)

Für den Titel habe ich den Beginn von Jan Wagners Gedicht „giersch“ adaptiert. Aus „Regentonnenvariationen“ Verlag Hanser Berlin,2014. 

Ronniger (1912): Försters Touristenführer in Wiens Umgebungen. 16. Auflage. Verlag Alfred Hölder, Wien.


Baumgartner (1996): Wanderparadies Voralpen Zwischen Mostviertel und Mariazeller Bergland. Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten.


Steffan/Tippelt (1977): Ybbstaler Alpen. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

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