Regenpfingsten und der wehrhafte Reutkogel (1025 m)

Dieses Jahr zu Pfingsten regnet es – viel regnet es – wie aus Schaffeln fällt das Wasser vom Himmel – es ist ein Regenpfingsten. Am Montag bin ich mit meiner ruhenden Gesamtsituation unzufrieden und mache mich nach dem Mittagessen auf den Weg. Zwischen Lindaumauer (1103 m) und Feichteck (1114 m) bei Weyer steht, von mir noch unbestiegen, der felsige Reutkogel (1025 m). 

Links der Bildmitte ist der Reutkogel mit seinem grünen Baumzelt und dem grauen felsigen First zu sehen. Dieses Foto habe ich voriges Jahr vom Feichteck (1114 m) gemacht, da wusste ich schon um den heutigen Besuch. Die Berge im Bildhintergrund habe ich bereits alle besucht.

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Von Neudorf bei Weyer fahre ich auf den Wiesensattel beim Klammbauer. Hier ist auch der  Ausgangspunkt für die kürzestmögliche Lindaumauer Besteigung. Bei einer kleinen Kapelle parke ich meinen Wagen und gehe los.

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Ich steige nicht die Forststraße zum Felshaupt der Lindaumauer hoch, vielmehr wandere die Forststraße gegenüber weiter. Sehr bald habe ich an Höhe gewonnen und kann den Parkplatz samt Lindaumauer (1103 m) gut überblicken.

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In der feuchten Luft liegen wie aufgestapelt die Düfte von Laubmoder, frischem Grün und geschlagenem Holz. Die Regenpause wird von dichtem Insektensummen und lautem Vogelgezwitscher völlig ausgefüllt.

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Ich bleibe vorerst auf der steinigen Forststraße, und die führt durch tiefgrüne Weideflächen. Das saftige Gras zählt jetzt für die Kühe mehr als jede Neugier. Sie heben nicht einmal ihre Köpfe.

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Das schmaler werdende Sträßchen bringt mich zu den großen Weideflächen vorm Reutkogel. Von meinem Fotostandpunkt aus wäre jetzt ganz auf der linken Seite ein gute Möglichkeit, den Weidezaun zu übersteigen und auf Pfadspuren zur Forststraße vor den Reutkogel zu kommen.

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Diese Möglichkeit entdecke ich allerdings erst am Rückweg.

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Ich wandere jetzt aber über die tief durchwässerte Weide zum Waldrand und plage mich beim Übersteigen des hohen und besonders hosenbissigen Weidezauns.

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Anschließend überquere ich die Forststraße und stolpere direkt hinein ins steile Baumvergnügen. Ich will – falls irgend möglich – den Kamm von Nord nach Süd überschreiten

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Über Gerümpelbäume gelange ich weg- und pfadlos…

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…zum felsigen Gipfelvorbau. Der erste Felsen lässt mich unschwierig auf seinen höchsten Punkt. Um zum nächsten Felspunkt zu gelangen, muss ich aber wieder absteigen und werde…

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…nicht mehr nach oben gelassen. Immer weiter steige ich die steile Wand entlang ab. Keine Gelegenheit zu einem neuerlichen Aufstieg findet sich.

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Wie ein verirrtes Insekt an einer Fensterscheibe krabble ich am Wandfuß entlang.

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Die wenigen Spalten in der feuchtnassen Felswand zeigen sich gar nicht einladend. Sie weisen auch keinerlei Besteigungsspuren auf. Hier einen Versuch zu machen, ist mir zu heikel.

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Ich umgehe die ganze Wand und finde…

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… durch Jungwald krauchend am Verbindungskamm zwischen Feichteck und Reutkogel passable Pfadspuren zum Vorgipfel.

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Den vermutlich höchsten Zapfen am Grat erreiche ich über eine leichte, wenige Meter kurze Kletterei. Der zerhackte Grat schaut etwas abweisend aus. Er zeigt sich bei seiner Überwindung aber als haltvoller, friedlicher Geselle.

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Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Reutkogel (1025 m).

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Meine Ausblicksbeute ist bescheiden aber nicht karg. Neben dem spitzigen Schieferstein (1206 m) kann ich kommende Gipfelziele ausmachen. Das Haingrabeneck (841 m) und den Bertelkogel (922 m) zum Beispiel. Vielleicht auch noch die in der Karte unbenannten Häusererkogel (840 m) und den Schönlehnerkogel (878 m). Im Bildvordergrund ist der langgezogene Waldrücken mit dem Sonnberg (843 m) zu sehen. Wenn das Wetter will, werde ich diesen langen bewaldeten Lulatsch heute auch noch beschreiten.

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Ich wandere gemächlich zurück in den Sattel.

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Für einen Moment kann ich über die Enns auf den Dürrensteigkamm mit dem Katzenhirn (1159 m) blicken. Mit jeder Tour wird mir die nahe Heimat vertrauter.

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Von diesem Sattel zum Feichteck (1114 m) wäre es gar nicht mehr so weit.

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Ich gelange zu dieser kleinen Lichtung und steige direkt beim Jagdstand ab.

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„Ui, ist dieser Wald zusammengeräumt“ denk ich mir. Mein Aufstiegswald war mehr so wie eine Studentenbude, irgendwie unordentlich, keiner trägt den Mist runter. Dagegen ist der Abstiegswald jetzt putzwutmäßig antiseptisch. Ich überlege sogar kurz, die Schuhe auszuziehen, um keinen Schmutz reinzutragen.

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Bei diesem Steinbruch gelange ich wieder auf die Forststraße. Interessierten Nachgehern empfehle ich hundert Meter nach dem Steinbruch durch den Picobellowald aufzusteigen.

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Unbeweglich grau, wie festzementiert, ruht der Himmel über mir. Somit ist keine Wetterbesserung, aber auch keine Wetterverschlechterung zu erwarten.

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Ich steige über Hochsicherheitsweideflächen in Richtung Sonnberg ab. Dreifachweidezäune, zwei davon unter Strom, hagern die Wiesen, auch für mich fast unüberwindlich, ab. Hier wurden Supermax Maßnahmen getroffen (super-maximum security). Vermutlich werden dort oben die geschicktesten Ausbrecherkühe und gefährlichsten Bauernpopsch-Aufspießer des ganzen Ennstals hochsicherheitsmäßig weggesperrt.

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Grün ist das Gold der Wiederkäuer. Die Weideflächen sind voller kuhlicher Gaumenfreuden. Pompös und prunkvoll bedecken sie weite Flächen zwischen den Waldbergen. Vielleicht ist ja Weyer auch ein Luftkurort fürs Hörndlvieh, ein St. Moritz für Kühe.

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Der bewaldetet langgezogene Rücken ist leicht zu begehen. Hier bin ich bereits auf dem in der Karte ausgewiesenen Sonnberg mit 842 m. Mit 843 m ragt der um einen Meter höhere Gipfel über dem Ennstal auf, und den besuche ich natürlich auch noch.

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Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Sonnberg (843 m). Sogar eine Gipfelbank findet sich hier. Dieser Punkt wird offensichtlich besucht. Eindeutige Besucherspuren kann ich aber nicht erkennen. Würde ich jetzt weiterwandern, käme ich schon bald zur Enns und weiter auf den Rotstein (837 m) und den Wasenriedl (1129 m).

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Tiefblick zum Alpenhaus im Finstergraben.

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Ich wandere wieder zum großen Wiesenteppich zurück und blicke nochmals zu den Felsaufbauten des Reutkogels.

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Schon haben mich die wenigen Stunden befriedet, und etwas ist von der einfachen Kraft der bunten Lebendigkeit auf mich übergegangen.

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Der Spätfrühling hat sich in den Lurnwiesen oberhalb von Weyer ein großes Nest gebaut.

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Wieder einmal ist die Eroberung des Nahen zu meiner Freude vorzüglich gelungen. Und mit diesem Blogeintrag füge ich dem Vorrat an erlesenen Augenblicken in den Ybbstaler Alpen einen weiteren hinzu.

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Im Anstieg ca. 550 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 9,3 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region OÖ Voralpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

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Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Heitzmann, Harant (1996): OÖ-Voralpen. OeAV-Führer, Ennsthaler Verlag, Steyr.

Steffan/Tippelt (1977): Ybbstaler Alpen. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

Pauli’s Bergerlebnisse Stubau, Reutkogel 1025 m (abgerufen am 19.08.2015)