Im Jahre 2009 war ich mit Reinhard bereits einmal am Schwarzenstein. Nur der Nebel war unser Zeuge. Das erste Foto zeigt Reinhard beim vergeblichen Versuch, Aussicht auf die Aussicht zu bekommen. Darum bin ich heute erneut zu diesem einsamen Gipfel in den Eisenerzer Alpen unterwegs. Meine Aussicht auf dieselbe steht wirklich gut…
Es ist Freitag, und die Wetterprognose für Samstag und Sonntag ist mies. Darum stelle ich meine Arbeitsbemühungen bereits um 11 h ein und fahre nach Eisenerz. Bei meiner Anfahrt zur Lasitzen gibt sich der Schwarzenstein jetzt schon schmutzig umwölkt. Nur der daneben befindliche Stadelstein leuchtet in einzelnen Sonnenfenstern immer wieder auf. Der Schwarzenstein bleibt dunkel – vielleicht kommt ja daher sein Name. Es ist fast nicht zu glauben, dass dieser gezackte steile Finger (rechts im Bild) trotz meines Nichtkletternkönnens für mich besteiglich ist.
Wieder einmal gehe ich die Forststraße in der Lasitzen hoch. Nur diesmal zweige ich zur Hochalm ab. Bald schon habe ich Ausblick zum Erzberg und dem westlichen Beginn des Hochschwabs.
Es ist warm, aber nicht zu warm. Der Waldaufstieg zur Hochalm ist steil. Rundum wuchert und blüht es.
Kurz vor dem Erreichen der Hochalm sehe ich mich um. Hochkogel (2105 m), Kaiserschild (2084 m) und Donnersalpe (1539 m) habe ich im Rücken.
Den Stadelstein (2070 m), der von dieser Seite gar nicht wie er selber aussieht, vor mir.
Wenige Meter weiter rutscht auch der Schwarzenstein ins Bild. Über seinen linken Rücken, unter Umgehung seines kleinen Buckels, möchte ich diesen paläozoischen Kalkbrocken besteigen.
Auf der Hochalm mache ich nur kurz Rast. Leider sind keine Getränke eingekühlt – für die Rast beim Abstieg hätte mir das schon gefallen – aber was soll’s.
Ich wandere weiter bis zu diesem Ferienhaus ober der Hochalm. Exakt hinter dem Haus führt am rechten Wiesenrand ein zartes Steiglein hoch.
Immer die steile Wiese hoch und hoch,…
…bis sich der Steig zuerst durch Vorgebüsch…
…in einen gut ausgeschnittenen Latschenpfad…
…einfädelt. Dieser Pfad führt exakt zum felsigen Aufbau des Berges.
Jetzt schnaufe ich schon gehörig. Fast siebenhundert Höhenmeter habe ich bis hierher masochiert. Und das auf nur 3400 Meter Wegstrecke. Das nenne ich fordernde Steilheit. Und weil ich den Aberglauben des Trainierens ablehne, bin ich ganz schön außer Atem.
Im Prinzip führen zwei Wege zum Gipfel. Die rechte Wegspur schaut begangener aus, ist aber eine schottrige, steile, rutschige, unangenehme Variante, auch weil alte Sicherungen ausgerissen und wenn überhaupt, nur noch desolat vorhanden sind (Stand 2009). Im AV-Führer (1982) schreibt Peterka:„Teilw. gesichert, sehr brüchig, gefährlich. (…) alle Anstiege brüchig und nicht leicht; schöne Ausblicke zu Hochkogel-Kaiserschildgruppe und Reichenstein, Gipfelkreuz. (…) Drahtseile erleichtern ein wenig den brüchigen Anstieg über Schrofen zum Gipfel“.
Diesmal wähle ich die Variante direkt am Grat und finde auch hier deutliche Wegspuren.
Der Beginn des Gratweges lässt sowieso nur eine Möglichkeit zu. Unterdessen gaukeln zwei Paragleiter auf Augenhöhe an mir vorbei.
Mit einem diagnostischen Blick, mit dem ich ansonsten Medikamentbeipackzettel lese, begutachte ich die Wegmöglichkeiten vor dem großen Felsköpfl. Welche Variante bietet die geringsten Nebenwirkungen bei meinen bekannten Allergien wie Klettergelände mit Schwierigkeiten höher als II oder nur fußbreite Felsbalken über dem Abgrund?
Das Felsköpfel will links umgangen werden und zwingt mich in diesen steilen, moosdurchsetzen Abschnitt. Weiter werde ich von erdigen Fußspuren auf hellem Fels hochgelotst.
Ich gelange zu einem schmalen Pfad, der mich bis zu diesen Abbrüchen mit schönem Ausblick bringt. Die nächsten drei Meter sind der dubiosere Teil der ganzen Unternehmung.
Hier schon der Rückblick – schaut auf diesem Foto gar nicht so schwierig aus. Links im oberen Bildteil sieht man den zuvor beschriebenen schmalen Weg. Bis zu meinem Fotostandpunkt musste ich diese fast senkrechte, erdige Schotter-Gras-Mooswand ersteigen.
Darüber geht es gut weiter – die Lage entspannt sich und es ist alles einfacher. Diesen Wegabschnitt finde ich besonders reizvoll.
So sanft die Eisenerzer Alpen auch sind, hier rockt die Landschaft im engsten Sinne des Wortes. Ich blicke vom Grat auf die schottrige, westliche Seite. Pfadspuren kann man auch hier erkennen.
Ich bleibe am Grat und wandere auf einen hohen, sehr glatten Felsen zu. Alle meine Überlegungen, wie es weitergehen könnte, finden beim Anblick dieses kurzen Seiles ein schnelles Ende. Sogar eine kleine Trittstufe gibt es im Fels.
Tadaaaa! Ich bin wieder da.
Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Schwarzenstein (1953 m).
Das Gipfelbuch stammt aus 2005 und weist nicht viele Besteigungen auf. Davon wiederum einige vom Hausherren, mindestens eine von Christian Stangl und jetzt zwei von mir.
Der Gipfel ist in echter Geberlaune und verschwendet seine ganze Aussicht nur für mich:
Es gibt nicht nur Kino-Popcorn, sondern auch inwendiges Gipfel-Aussichts-Popcorn, denn das springt mir jetzt als Gipfelfreude durch die Adern.
Stadelstein (2070 m) und Wildfeld (2043 m).
Sogar über den zerfledderten Südgrat, aus dem Ramkarlsattel zwischen Schwarzenstein und Stadelstein, führt eine Kletterroute auf den Gipfel. (1901 durch G. Stopper und Dr. V. Wolf von Glanvell erklettert. „(…) Die ersten Gratzacken westlich umgehend über Schrofen zum Grat und über diesen empor zum Gipfel (II+)“ (Scharfetter/Buchenauer 1978).
Von der Hohen Lins (2028 m) zum spitzigen Linseck (1983m) und dem Bogenabschwung zur Rauchkoppe (1836 m). Im Vordergrund der Hochstein bzw. Törlstein (1860 m).
Der Mooshals und die Rauchkoppe (1836 m) aus der Nähe.
Hochstein bzw. Törlstein (1860 m) und dahinter der höchste Punkt der Eisenerzer Alpen, das Gößeck (2214 m).
Der grüne Rücken zum Linseck. Darauf befindet sich der Gipfel mit dem seltsamen Namen Auf der Stang (1716 m). Dahinter verschwinden im Licht fast der Eisenerzer Reichenstein (2165 m) und das Rössl (1855 m).
Vom Teicheneggsattel zum Kragelschinken (1845 m) und zum Plöschkogel (1668 m). Dahinter ist der Zeiritzkampel (2125 m) gerade noch zu erkennen.
Der wunderbare Ochsenboden aus der Nähe, darüber das Wildfeld (2043 m) und wieder der Kragelschinken (1845 m).
Erinnerung an eine Zwischenwelt-Wanderung in diesem Jahr: der vermeintlich so unscheinbare Grat vom Plöschkogel (1668 m) zum Ochsenkogel (1620 m) bis zum Kaltenbachriedel (1457 m).
In vorbedachter Langsamkeit löse ich mich vom Gipfel und beginne mit dem Abstieg. Kurz erwäge ich über den schottrigen Grauslichhang zu gehen, weil mir ein Sicherungsseil erneuert aussieht. Aber ich entschließe mich dann doch,…
…den Anstiegsweg zu gehen.
Dieser Blick zur Hochalm verrät schon das Schitourengelände. Denn bis zum Gipfelaufbau ist…
…das ein klasser (klassischer) Schitourenhang.
Auf der Hochalm lege ich noch eine kurze Rast ein. Alleine der Blick zur Kaiserschildgruppe ist schon einen Besuch der Alm wert. Ohne Gipfelziel könnte man zum Nebelkreuz und den Teicheneggsattel weiterwandern und über die Teicheneggalm absteigen.
Peter Handke schrieb einmal von der „im Verlauf eines Tages geernteten Poesie“. Das trifft es heute auch für mich. Und sogleich, wenn ich daheim ankomme, besuche ich (geduscht) noch ein Konzert der Paul Autobus Bruchband im Waidhofner Schloßhof. Vielleicht lässt sich ja meine optische Megaernte noch um eine akustische erweitern.
Im Anstieg ca. 910 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 7,5 km.
Senf dazu? Sehr gerne!
Darf’s ein bisserl mehr sein?
Weitere Unternehmungen in der Region Eisenerzer Alpen (Auswahl):
- Erste Reihe fußfrei in den Eisenerzer Alpen: Donnersalpe (1539 m) und Tulleck (1412 m)
Donnersalpe (1539m), Hohlsteinmauer (1405m), Tulleck (1412m), Mitterriegel (1150m) - Achnerkuchel (1824 m) & Wolfleiten (1702 m)
Wolfleiten (1702m), Achnerkuchel (1824m) - In leichter Kletterei zur Rauchkoppe
Rauchkoppe (1836m) - Donnersalpe von der Großfölz
Donnersalpe (1539m) - Wanderung zum Ochsenkogel (1620 m) oder wie ich zum Sechzehnender wurde
Plöschkogel (1668m), Kaltenbachriedel (1457m), Lichteck (1462m), Ochsenkogel (1620m)
Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.
Meine Quellen:
Ausschnitt aus Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.
Heitzmann (1989): Gesäuse. Landesverlag, Linz.
Peterka (1982): Eisenerzer Alpen. AV Führer, Bergverlag Rother, München.
Scharfetter/Buchenauer (1978): Eisenerzer Alpen, Bergwandern, Klettern, Schifahren. Verlag Styria, Graz.
Zeller (2006): BergErleben Bd. 2, Eisenerzer Alpen, Hochschwab West. Verlag Gertraud Reisinger, Spielberg.
EPILOG
Ich war am 27.6.2009 mit Reinhard am Gipfel.
Auf der Hochalm wollten wir uns nach dem Wegverlauf erkundigen. Ein paar ältere Herren der Bergrettung waren anwesend und offensichtlich nicht gewillt, Auskunft zu geben. Das Wetter werde schlecht und sie haben keine Lust, jemanden vom Berg zu holen. Wir sollen herunten bleiben, war die lapidare Ansage. Es muss an Reinhards Aussehen gelegen haben, denn ich sah ziemlich gut aus – meine Kleidung war voll gemammut!
Somit versäumten wir gleich einmal die Abzweigung in die Wiese hinter dem Haus und wanderten ziemlich weit in den Ochsenboden hinein.
Nach langem hin und her drehten wir um und fanden den Steig in der Wiese doch noch.
Wir folgten den Spuren in die Westseitet und fühlten uns von den alten Sicherungen bestätigt. Ganz falsch war es ja nicht, nur sehr unangenehm.
Aussicht…
Häutpling luftiges Haar.
Der Weg zieht eng unter diesem Felsen entlang. Ausrutschen oder stolpern sind hier ganz schlechte Ideen.
Erst wieder am Fuße des Felsköpfels angelangt, wuchteten wir unsere Jausen und Getränke…
…aus den Rucksäcken. Fast schon sonnig, ließ es sich gut rasten. Hier bekam ich auch den entscheidenden Hinweis auf meine heutige Tourenführung. Ein einzelner Bergwanderer ging an uns vorbei und stieg über den Grat auf.
Alle höheren Gipfel steckten in Nebelwolken.
vorläufiges FIN,
denn eine SW Zugabe gibt es auch noch:
endgültiges FIN