Bestimmt schon hundertmal bin ich von Admont kommend, den Südseiten des Pleschbergs (1720 m), Bosrucks (1992 m) und Salbergs (1398 m) entlang, nach Liezen gefahren. Die ersten beiden Berge habe ich schon vor langer Zeit bestiegen, den Salberg indes noch nicht. Ganz ohne praktischen Grund will ich das heute ändern. Lange Zeit gab es selbst im Internet keine Informationen zu seiner Besteigung, bis – ja wie kann es auch anders sein – Leopold Pollak wunderbare Winterbilder von seiner Besteigung im Jänner dieses Jahres veröffentlichte. Er ist der wahrhafte Agent der steiermärkischen Berge.
Ich parke mein Fahrzeug nahe der Kirche in Liezen und schwindle ein wenig mit der Ankunftszeit beim Einstellen der Parkuhr. Das ist dumm von mir, denn die gesamte Dauer der Wanderung muss ich daran denken, dass der Schwindel bestimmt auffallen wird und ich einen Strafzettel ausfassen werde.
Ich finde den Weg auf den Kalvarienberg…
…zur hoch über Liezen ruhenden…
…barocken Kapelle mit Zwiebelhelm.
Die barocken Bänke im inneren der Kapelle sind mit Bändern und Blumen geschmückt. Es schaut ganz nach Hochzeitsschmuck aus und gefällt mir gut. Nur die kopfüber an die Kapellentür genagelte Rose erschreckt mein zartes Gemüt. Für wen der beiden Hochzeiter hat das etwas zu bedeuten, wenn die Liebe an den Füßen aufgehängt wird?
Weiter geht es durch eine Wohnsiedlung mit exklusiven Einfamilienhäusern bis zu diesem Bildstock. Den ließ der Industrielle und Ehrenbürger Liezens, Nikolaus Dumba, 1895 errichten (Wikipedia).
Nahe an der Kapelle treffe ich auf einen mit Holzarbeiten beschäftigten Einheimischen. Gar nicht eilig bleibe ich stehen und halte ihn vom Arbeiten ab. Ich frage nach dem Weg auf den Salberg, und den erklärt er mir ganz genau, bis sich zum Ende seiner Schilderung herausstellt, dass er der Errichter des Gipfelkreuzes am Salberg und der Fredi in Leopolds Blogeintrag ist. Nicht genug damit, denn zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nicht, dass ich mit einem ganz besonderen Exemplar des Menschentums plaudere. Olympiasieger gibt es einfach nicht sehr viele. 1969 in Grenoble holte Manfred Schmid im Rodeln eine Goldmedaille. Das erzählt mir aber nicht der freundliche Holzarbeiter, sondern viel später ein junger Einheimischer.
Dass ich „nur“ für diese Wanderung auf den Salberg aus Waidhofen/Ybbs angereist bin, freut ihn ganz besonders. Wir verabschieden uns voneinander, denn er muss weiter sein Holz machen und ich meinen Aufstieg.
Am Beginn der Wiesen vom Obersaler findet sich eine Tafel, die aus der Zeit gefallen scheint. Warum gibt es heute solche Schilder nicht mehr, die einem bei Nichtbeachtung schlechte Manieren attestieren? Warum wird nicht öfter an die Vernunft und das Ehrgefühl appelliert? Ich fände das schön.
Das Bauernhaus Obersaler hat einen sagenhaften Standort über dem Tal. Seine Fensteraugen blicken weit ins Ennstal hinein.
Hinter dem Bauernhaus kommt es wegtechnisch zu einer Weichenstellung. Erst im Abstieg kann ich die richtige Wegwahl entschlüsseln. Bei dieser Dreiteilung des Hohlwegs den mittleren nehmen, und bei der nächsten Wegteilung…
…den rechten Abzweiger begehen. Ich habe fälschlich den linken bewandert und bin auf diese Weise,…
…indem ich einfach jeden Steig nahm, der eine aufsteigende Tendenz vorweisen konnte,…
…etwas umwegiger auf den Berg gelangt.
Aufgehalten werde ich nur durch solche funkelnden Lichtgeschmeide, goldbraun und bernsteinfarben in der Vormittagssonne.
Fast schon ganz oben entdeckt sich mir jetzt auch der boa-constrictor-breite Pfad.
An herrlichen Ausblicken vorbei schlängelt er sich mit mir schon bald zum Gipfel.
Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelkreuzfoto Salberg (1398 m).
Unterhalb des Kreuzes befindet sich ein Bankerl und das Gipfelbuch.
Aus dem Manfred ist ein Fredi geworden.
Und gleich neben dem Gipfelkreuz öffnet sich der Wald und bietet herrliche Rundumblicke.
Ich betrete die Chill-out-Zone des Salbergs.
Vor mir erheben sich die Haller Mauern zu weißer Größe.
Wieder ist es ein unscheinbarer Zwicklberg,…
…der die herrlichsten Rundumsichten bereithält.
Ich habe eine gute Wahl getroffen. Die höheren Berge sind schneebedeckt und bestimmt in steilen Abschnitten nicht ungefährlich. Schon 1913 wurde von Unfällen im steilen Schnee berichtet und toll illustriert.
Gewaltige Steinwogen fallen leicht gewellt gegen Süden.
Östlich kann ich das Dürrenschöberl und den Admonter Reichenstein benennen.
Im Nordwesten erhebt sich der Warscheneckstock.
Meine entfesselte Schaulust wird nur von ein paar Restbäumen gebändigt.
Rundum sind Berge, ich drehe mich, bis mir schwindlig wird. Aber wo hat man das schon: ein Zuviel an bereits bestiegenen Bergen, ein Überfluss an noch zu besteigenden.
Eine zarte Wegspur führt mich an Schmetterlingen vorbei,
…nur wenige Meter vom Kreuz entfernt, zu diesem herrlichen Jausenplatzerl. Weil ich nicht gefrühstückt habe und keinen Verstoß gegen die Mechanik des Lebens begehen will, jausne ich viel, lange und ausgiebig. Nur wo man auch gegessen hat, war man wirklich.
Aber auch für mich wird es Zeit, diesen Ort des Behagens inmitten dieser baumlosen Einsamkeitszelle wieder zu verlassen. Ein letzter Blick auf die Phyrnpassstraße und…
…etwas anders als ich aufgestiegen bin, wandere ich zurück.
Ich finde den richtigen Aufstiegspfad, der manchmal etwas rachitisch ausfällt…
…und zu guter Letzt in den am Beginn verwiesenen Hohlweg einmündet.
Jetzt wandere ich hoch über den riesigen Einkaufstempeln Liezens, in denen sich an diesem Samstag bestimmt viele konsumbeseelte Menschen glücklich kaufen, bis zur Salbergsiedlung…
…mit dem tollen Blick zum Grimming…
Weiter gehe ich wieder an der Kapelle vorbei, den Pyhrnbach entlang, zum – ich glaube es ja nicht – strafzettelfreien Auto! Wozu habe ich mir die ganze Zeit darum Gedanken gemacht und meiner Freude auf dieser Wanderung eine Schmälerung zugefügt? Das mache ich das nächste Mal anders. Entweder ich parke richtig, oder ich denk‘ nicht dran.
Bei der Heimfahrt sticht mir die Wallfahrtskirche Frauenberg diesmal besonders ins Auge. Wenige Wochen zuvor habe ich mit meiner Frau Markokko bereist und dort ebenfalls viele muslimische Wallfahrtsstätten besucht. Solche Reisen, vor allem in andere Kulturkreise, sind regelrechte Verjüngungskuren fürs eigene Denken und dienen uns dazu, der eigenen altersbedingten Verholzung etwas entgegen zu setzen. Und weil ich schon lange nicht mehr in Frauenberg war, versuche ich heute einen Vergleich.
Fast den Menschen enthoben, schon am Weg in den Himmel, scheint es, befindet sich die Wallfahrtskirche Frauenberg.
Ganz anders in Marokko. Mitten im Häusertrubel nistet das wichtigste Wallfahrtsziel Marokkos, in der heiligen Stadt Moulay-Idriss.
In der Bildmitte (grünes Dach) gerade noch zu erkennen.
Die Wallfahrtskirche Frauenberg ist ein hochragender Tempel…
…in absoluter alter Stille,…
…und für jeden Menschen ist der geweihte Raum betretbar.
In Moulay-Idriss sieht das ganz anders aus. Reges Markttreiben zieht sich …
…in lauter bunter Geschäftigkeit, in ungewohnte Gerüche gekleidet…
…labyrinthisch verwirrend um die Grabmoschee. Viele marokkanische Muslime pilgern sieben Mal hierher und können damit die Wallfahrt nach Mekka ersetzen.
Der Zutritt in den Grabkomplex ist nur Moslems gestattet. Schade.
Wir haben in Marokko einen sehr gemäßigten, jungen Islam angetroffen und gesehen, wie sich auf den Straßen zwei Jahrhunderte begegnen. Eselfuhrwerke, Lastenkamele und darauf zahnlose junge Männer mit dem Handy in der Hand. Die Zukunft dieses Landes liegt aber in den Händen der vielen lachenden und winkenden Kinder vor ihren Schulen. Wenn diese Kinder eine Lebensperspektive in ihrem eigenen, wunderschönen Land vorfinden, brauchen wir in Europa keine Zäune und Mauern errichten. Vielleicht sollten wir besser dabei mithelfen.
Viele Landschaftseindrücke ließen uns daran zweifeln, wirklich im Maghreb zu reisen, so grün und hügelig ist das Land. Blick von der größten römischen Ausgrabungsstätte Marokkos, Volubilis, nach Moulay-Idriss…
…und die Schau durch einen riesigen Torbogen ins grüne Land.
Auch unsere Weiterreise nach Fes hatte viele landschaftliche Höhepunkte zu bieten.
Unglaublich schön. Anders schön und einer der vielen landschaftlichen Höhepunkte der Steiermark ist dieser Blick von Frauenberg nach Admont.
Meine Seele vermischt gerade die Erlebnisse der letzten Wochen miteinander und findet an allem etwas Wahres. Ich muss mich immer wieder selbst überdenken. Eine Überzeugung zu haben birgt die Gefahr, in der Nähe der Eingeistigkeit sein Haus zu errichten. Und diese Eingeistigkeit ist die größte Gefahr für die Menschheit und uns selbst. Zumindest sollten wir immer danach trachten, ein Fenster offen zu lassen, wie auch dieses Haus auf meiner Heimfahrt in St. Gallen.
Weil keine Abbrüche überwunden werden müssen und auch keine Lawinengefahr droht, ist der Salberg ein beliebter Wintergipfel. Er ist auch im Sommer unschwierig zu erreichen und für mich eine unspektakuläre, aussichtsreiche Tourenempfehlung. Aber egal wo man hingeht – es lohnt sich irgendwie immer.
Im Anstieg ca. 765 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 10,3 km.
Senf dazu? Sehr gerne!
Darf’s ein bisserl mehr sein?
Weitere Unternehmungen in der Region Ennstaler Alpen (Auswahl):
- Keine Bergtour, bei der man gähnen muss: Riffelspitz (2106 m) und Kreuzkogel (2011 m)
Riffelspitz (2106m), Kreuzkogel (2011m) - Grand Tour im Gesäuse: Planspitze (2117 m) über den Wasserfallweg
Planspitze (2117m) - Kl. Bosruck (1466 m) und Karleck (1582 m)
Kleiner Bosruck (1466m), Karleck (1582m) - Eins-a-Aussichtsberg im Ennstal – der Zinödlberg (1294 m)
Zinödlberg (1294m) - Forststraßen können auch Möglichmacher sein: Besuch am Haidach (1096 m)
Haidach (1096m)
Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.
Meine Quellen:
Ausschnitt aus Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.
Die Bildbeschriftung erfolgte mit: PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Version: 1.0.3 © Christian Dellwo.
Paulis-Tourenbuch: Von Liezen auf den Salberg (abgerufen am 18.6.2017)
„Den Verstoß gegen die Mechanik des Lebens“ habe ich mir, abgewandelt und etwas entfremdet von Heimito von Doderer ausgeborgt.