Wie Edelweiße unseren Weg pflastern und der Feistringstein (1836 m) zur felsigen Überforderung wird.

Aus Gründen des Ansehens würde ich über die Geschehnisse dieser Wanderung gerne schweigen, aber die Wahrhaftigkeit meines Berichtes verbietet mir das. Und bevor meine Erinnerung die Einzelheiten verliert, schreibe ich mit schwerer Hand diesen Tourenbericht.

Der Sonntag soll der bessere Bergtag an diesem Wochenende sein. Reinhard will auf den Feistringstein. Den kenne ich noch nicht, und ohne lange nachzudenken, bin ich einverstanden. Wir fahren über den Seewiesensattel nach Seewiesen und parken das Auto gleich neben der Bundesstraße bei dieser Kapelle. Hinter der Kapelle kann ich die Ostabbrüche des Feistringssteins schon sehen.

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Die Tour beginnt freundlich und vielversprechend. Wir wandern über diese Wiese, um zum markierten Aufstieg auf die Hackenalm zu gelangen. Die erste Rückschau zeigt die Kapelle mit dem abgestellten Auto und dahinter die weite Landschaft der Aflenzer Staritzen. Wolkenschatten schleifen über die grünen Horizontal- und grauen Vertikalflächen.

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Vor dem Waldanstieg überqueren wir noch ein kleines Feuchtgebiet, und dieser gläsernen Bach.

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Wir verlieren gleich einmal plaudernd den Weg und umgehen unabsichtlich auf einem Jagdsteig die Hackenalm. Der Weg findet uns aber wieder, und steiler werdend bringt er uns ins Hackentörl (1291 m). Wild treiben es über unseren Köpfen helle Wolken mit dunklen Wolken, aber nach einem Gewitter schaut es nicht aus. Uns erwartet vielleicht ein kräftiger Regenguss, aber bestimmt nicht mehr.

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Vom Hackentörl leitet der Weg an den Südabbrüchen des Feistringsteins entlang in den Zlackensattel.

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Schon bald können wir den von Wolken eingedunkelten Höchststein (1741 m) sehen.

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Der Oisching (1699 m) taucht östlich von uns auf. Über die Ignatzhütte ein viel besuchtes Schitourenziel – vielleicht auch einmal von mir.

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Wolken und Sonne spielen mit uns, wie Mädchen mit ihren Barbies, denn ständiges An- und Umkleiden begleitet diesen Aufstieg: Sonne → warm → ausziehen → Wolken → kühl → anziehen → Sonne → warm → Wind → Reißverschluss auf → Wolke → kühl → Wind → Reißverschluss zu ∞.

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Vor uns ist schon der Zlackensattel (1743 m) zu sehen. Bevor wir ihn erreichen, zweigen wir Richtung Höchststein ab.

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Auf  dieser unscheinbaren Hochfläche angekommen und nur noch wenige Meter zum Höchststeingipfel, erwartet uns eine besondere Überraschung, denn…

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…dieser blumendurchstoßene Fels berherbergt Edelweiße…

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…in großer Zahl. Ganz unscheinbar schmiegen sie sich an den Boden, und Reinhard in seiner allumfassenden Aufmerksamkeit (vielleicht ist er aber auch nur gestolpert) entdeckt sie zu unserem Glück.

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Dass das der fröhliche Höhepunkt der Wanderung sein wird und die herzlose Zurechtweisung des Berges noch auf uns wartet, ahnen wir in unserer ausgelassenen Freude noch nicht. Darum obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Höchststein (1741 m).

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In der Mitte der Südwand des Feistringssteins sehe ich die verzwickte Einschartung, welche für seine Besteigung zuerst abgeklettert und danach über einen kurzen Klettersteig wieder aufgestiegen werden muss. Wir bekommen Wetterbedenken und beeilen uns mit dem Weiterkommen.

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Der Blick in die andere Richtung zeigt die Hochfläche über dem Endriegel, die unschwierig zur Bürgeralm zieht.

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Der Hochschwab greift noch einmal in seine florale Schatzkiste, und wie Märchenschnee…

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… prunken Narzissenblütige Windröschen in Weiß.

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Einzelne Schneefelder verstecken sich in Karstdolinen vor den kommenden Sommertagen.

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Nach einem kurzen Anstieg wandern wir zur Ostspitze der Mitteralm.

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Vor uns ragt mächtig die Böse Mauer der Aflenzer Staritzen über der Dullwitz auf.

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Wir wissen noch nicht, dass jeder von uns auf eine persönliche Enttäuschung hinwandert.

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Viel länger als gedacht, hat sich die Wanderung hierher in die Länge gezogen. Über der Einschartung kann ich das Gipfelkreuz am niedrigeren Ostgipfel ausmachen.

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Ich wusste schon, dass es Kletterstellen gibt, aber die Höhe schreckt mich jetzt doch. Rechts der Bildmitte kann ich vier Kletterer im Kamin ausmachen.

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Schon beim Zuschauen ist mir jetzt nicht mehr ganz wohl. Ich kann drei Kletterer (Bildmitte) oberhalb der Schlüsselstelle erkennen. Das Klicken und Klacken verrät mir, dass sie nicht ungesichert im Steig sind.

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Heute ist Felsberührungs-Premiere in diesem Jahr. Es gab nämlich für keinen von uns schon eine solche. Reinhard hat sein Frühjahr am Mountainbike verbracht und ich beim Wandern.

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Das Abklettern gelingt ohne Komplikationen. Wir gelangen ohne Schwierigkeit zum Einstieg. Der Blick den Risskamin hoch beruhigt mich jetzt nicht. Wir haben weder Helme noch eine Klettersteigausrüstung mit. Über uns befinden sich Kletterer am Gipfel und hoffentlich noch nicht im Abstieg.

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In diesem Spalt nistet noch die Kälte der Nacht. Kaltfeucht ist das Stahlseil und rutschig der Fels. Irgendwie ist mir mulmig zumute. Ich lasse Reinhard den Vorstieg. Er mag das gar nicht, denn er ist der Meinung, dass viel mehr Erfahrung verloren geht, wenn ihm etwas passiert, als wenn mir etwas zustößt. Bis zur Schlüsselstelle kommen wir hoch, aber nicht darüber. Wir überlegen, probieren halbherzig – die Finger werden kalt – die Zeit vergeht, und die erforderliche Entschlossenheit kommt einfach nicht. Es bräuchte nur einen mutigen Zug in die Höhe, und irgend ein Halt für den Fuß würde sich schon finden.

Von Gegenüber schauen sie uns zu. Die amüsieren sich bestimmt. Wie zwei Turnbefreite beim Felgeaufschwung hängen wir sechs Meter über dem Boden und kommen keinen Zentimeter weiter.

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Es folgt, was Nives Meroi als wichtigste Tat am Berg bezeichnet:“ Die Umkehr ohne Scham“. Somit üben wir uns im Synchronaufgeben und lassen unsere Gipfelambitionen zeitgleich fallen.

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Das heilige Gut der Reputation lassen wir damit auch liegen und treten den Rückzug an. Es geht die Scharte wieder hinauf, und meine roten Wangen kommen jetzt nicht nur von der Anstrengung.

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Für eine Harakiri-Aktion fehlt uns heute der feurige Bergbezwingerernst. Außerdem hätten wir auf diesem Gipfel unser Bergbier nicht trinken können, weil der ungesicherte Abstieg bestimmt keine Promille verträgt.

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Uns eint diese Entscheidung, und wer weiß, vielleicht kommt wieder einmal die Möglichkeit für einen Besteigungsversuch. Und das tut sie tatsächlich schon sehr bald, wie hier zu lesen ist: Therapeutisches Bergsteigen oder die Konfrontationstherapie. Wie um uns zu trösten, leuchtet die Hochweichsel als Lichtblick in den dunklen Himmel.

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Nach einer ausgiebigen Rast und genauer Wolkenbeobachtung entschließen wir uns zur Überschreitung der Mitteralpe und den Abstieg in die Dullwitz. Um nicht zurück in den Zlackensattel absteigen zu müssen, kürzen wir über diesen Hang…

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…durch einfaches Latschengelände ab.

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Wir treffen wieder auf den markierten Weg und schlendern an der…

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…sehr spartanisch eingerichteten Unterstandshütte vorbei.

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Wie die Songlines der Aborigines ganz Australien überziehen, führen Steige und Pfade über die Flächen, Wölbungen und Senken dieser einzigartigen Hochschwablandschaft.

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Der Kampl (1990 m) zeigt sich gnädig, und mit seiner Besteigung haben wir den höchsten Punkt der heutigen Wanderung „erklommen“.

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Wir wandern immer ober der Gschirrmauer entlang. Immer wieder gelingen Tiefblicke in ihre Nordabbrüche, in die Untere Dullwitz. Hier ist die Florlhütte zu sehen.

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Jetzt wäre auch schon die Voisthalerhütte in Sicht- und Gehweite. Aber da wollen wir heute nicht hin. Es gilt den Reitsteig zu finden.

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Zeigt uns die Mitteralm gar spottend den Mittelfinger?

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Das Wandgrau des Schwaben verrinnt mit dem Wolkengrau des Himmels, jetzt wird es Zeit auf den Reitsteig zu kommen.

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Wir finden ihn zwar nicht dort, wo er in der Karte verzeichnet ist, aber das macht nichts, denn er ist auch so nicht zu übersehen. Direkt beim Franzosenkreuz mündet er in die Dullwitz ein.

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2005 ist die Florlhütte nach einem Blitzschlag abgebrannt. Schnell wurde sie wieder aufgebaut, und heute ist sie – geschlossen. Ein bisschen enttäuscht uns das jetzt. Auch sind nirgends Getränke zur Entnahme eingekühlt.

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Pfuh, der Weg ist noch weit, denke ich mir bei diesem Ausblick.

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Zerfurcht und zerrissen sind die Gräben, durch die der Weg leitet. Wund und strapaziert ist die Erde. Hier kann man keinen Wanderweg vor dem Zugriff der Natur schützen. Da ist es schon einfacher, die Markierungen den Verwüstungen anzupassen.

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Der Fußballtrainer Peter Neururer meinte einmal:  „Wir waren alle vorher überzeugt davon, daß wir das Spiel gewinnen. So war auch das Auftreten meiner Mannschaft, zumindest in den ersten zweieinhalb Minuten“. So ähnlich erging es uns heute in diesem Risskamin. Was soll’s. Jetzt heißt es aufstehen, Hose abputzen und weiter geht’s! C’est la vie

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Im Anstieg ca. 1285 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 21,6 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Hochschwab (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

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Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Auferbauer (1990): Hochschwab. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

Auferbauer (2001): Hochschwab. Wanderführer, Bergverlag Rother, München.

Buchenauer (1960): Hochschwab. Leykam Verlag, Graz.

Fink/Steinbach (2013): Erste am Seil. Tyrolia Verlag. Innsbruck.

Hödl (2003): Wandererlebnis Hochschwab & Hohe Veitsch, Almen, Gipfelwege, Hütten. Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten.

Hödl/Hausegger (1993): Der Hochschwab Bergsteiger von einst erzählen. Verlag Styria, Graz.