Chlorophyllvulkane bei Großraming – Rotstein (837 m) und Wasenriedl (1129 m) - Rotstein (837m), Wasenriedl (1129m), Schafkogel (739m)

Meine Seele ist immer noch nicht zu Hause angekommen. Die Heimreise mit dem Flugzeug geschah viel zu schnell, es gelang ihr einfach nicht Schritt zu halten. Somit bin ich irgendwie nur halb daheim. Und größer können die Gegensätze nicht sein. Hier ist es kalt, und es regnet ohne Unterlass. Ich fühle mich innerlich zweigeteilt. Ich bin mir selbst unzumutbar. Darum entschließe ich mich am späten Vormittag, trotz Wolken und Regen zu einer kurzen Tour. Auch meine Frau findet das eine ausgezeichnete Idee.

Wie schon in der Vorwoche angedacht, will ich die Waldberge westlich des Dürrensteigkammes (Ennserhütte) überschreiten. Vom Schafkogel (739 m) über den Rotstein (837 m) zum Wasenriedl (1129 m). Oberhalb von Großraming, unter dampfenden Nebelschwaden, kann ich meine ersten beiden Ziele nur erahnen.

Ich parke mein Auto noch vorm Bamacher und mangels Parkplatz sogar eine Straßenkehre vor dem Bauernhaus Spring. Hier ist der Weg auf den Rotstein (837 m) und nach Großraming ausgeschildert und markiert. Hier starte ich meine Tour.

Es liegt auch ohne Regen viel Feuchtigkeit in der Luft, und nicht nur das. Vollgesogene Moospölster wässern wie Steckschwämme die Bäume…

…und verstecken hinter dichtem Dschungelgrün ruinenhafte Hausmauern.

Diese dampfenden Waldberge am Rande des Hintergebirges sind wirkmächtige Chlorophyllvulkane. Man wandert an einem abgestorbenen Ast vorbei und wenn man sich umdreht, sieht er so aus:

Diese modrig wässrigen, tröpfelnden, feuchten Tage sind das Testosteron der Pflanzen. Wachstum ohne Ende.

Weil ich zuvor noch den Schafkogel besteigen will, wandere ich an der bezeichneten Abzweigung zum Rotstein vorbei. Auf dieser kleinen Einsattelung stehe ich meinem vorwöchigen Wanderziel,…

…dem Hiaslberg, gegenüber…

…und dem Dürrensteigkamm auf der anderen Seite. Diese Waldberge sind Feuchtigkeits-Hotspots, kuppelförmige Chlorophylldome.

Der Schafkogel scheint lediglich aus einem bewachsenen großen Stein zu bestehen. In Blickrichtung rechts vorbei, denke ich mir, schaut es machbar aus.

Und ist es auch. Am Wiesenrand steht ein kleines Bankerl, und dahinter zieht ein schmaler Pfad hoch,…

…und nach wenigen Metern am Grat…

…erreiche ich den Schafkogel.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Schafkogel (739 m).

Mein nächstes Ziel liegt an der selben Wiese. Der felsige Rotstein (837 m) kann auch über einen markierten Weg direkt von Großraming erstiegen werden. Dazu sind nur 300 Höhenmeter zu überwinden. Meine Variante ist sogar noch weniger aufwendig. Für mich ist die Überschreitung des Wasenriedls das eigentliche Ziel und der Rotstein quasi das Vorspiel. Ich wandere zur markierten Abzweigung zurück…

…und steige auf einem guten Pfad hoch.

In wenigen Kehren, über schlüpfrige Äste und unter ständig tropfenden Bäumen, ersteige ich rasch das felsige Haupt.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Rotstein (837 m).

Die Aussicht ziert sich ein wenig und wechselt auch minütlich. Gerade noch kann ich die Größtenberge und das Sengsengebirge erkennen, schon…

…schiebt sich eine dichte Nebelwand dazwischen. Mit einem Beamer im Gepäck könnte ich jetzt einen Film auf diese Leinwand projizieren.

Sobald ich aber einmal in meinem Rucksack krame und anschließend hochblicke, ist der Nebel auch wieder weg. Bis er abermals kommt, kann ich von mir bewanderte Gegenden überschauen.

Am Querbalken des Gipfelkreuzes schlage ich mir wegen seiner unguten Höhe den Kopf an. Mit diesem Schicksalsschlag dürfte ich nicht alleine dastehen. Ein Zusatztaferl wurde an der aggressiven Kreuzesecke angebracht.

Aber danach bin ich wirklich klarer im Kopf, und auch die Aussicht auf Großraming bessert sich schlagartig.

Es beginnt leicht zu regnen, und es ist an der Zeit, weiterzugehen. Ich wandere ein Stück am Aufstiegsweg zurück bis zur Einmündung des Zustiegs von Großraming. Dort steige ich natürlich nicht ab, sondern beschreite den gut begehbaren Gratrücken weiter.

Dort wo Äste und Steine sind, ist das Gelände besonders nass und rutschwillig.

Auf der Tomaseben gelange ich zu einem Jagdhaus. Diese Jagdhütte hat dem Wirrwarr des Lebens den Kampf angesagt. Geordnet und gediegen, aber auch irgendwie beschränkt sieht sie aus. Idyllisch, pingelig sauber und bemüht erscheint sie mir. „Ordnung ist das halbe Leben“ ruft mir ihr Anblick mit erhobenen Schornsteinfinger zu!

Dem Jagdhaus gegenüber kürze ich die Forststraße über diese Wiese ab,…

…und gehend lege ich mich auf die Lauer, um den besten Zeitpunkt abzupassen, durch den Wald dem Berg auf den Rücken zu steigen.

Den Zeitpunkt schiebe ich immer weiter auf, denn…

…ein Ziehweg zweigt ab und bleibt immer in Gratnähe. So lange,…

…bis er von vitalen Fichten erlegt wird.

Ein kurzer herzhafter Kampf mit dem Baumjungvolk,…

…und ich bin am Grat, nicht weit vom höchsten Punkt entfernt.

In Phasen sozialer Unverträglichkeit sind solche Wanderungen äußerst hilfreich. Meine Gesundung schreitet mit mir auf diesem herbstbraunen Grat stetig voran.

Ein baumgrasiger Aufschwung leitet mich zum höchsten Punkt.

Durchfeuchtet wie ein getunktes Frühstückskipferl, posiere ich für mein obligatorisches und unverzichtbares Gipfelfoto am Wasenriedl (1129 m) bzw. Zickertstein.

Im Gipfelbereich verblassen alte Markierungen, und ein zarter Steig zeichnet sich ab.

Immer an der steilen, bewachsenen Gratkante entlang, stürzt sich der Steig mit mir hinab.

Das gefällt mir jetzt ausgesprochen gut. Dieser zierliche Pfad ist wirklich begehenswert…

…und endet in der starken Forststraßenkehre unterhalb der Ennser Hütte. Exakt in der Bildmitte, auf den größeren Baum zugehend, findet man den Steig. Dort ist er noch ein wenig verwachsen, aber mit jedem Schritt wird er sichtbarer. Immer an der Kante entlang führt er hoch.

Blick zurück zum Wasenriedl.

Eigentlich wollte ich auch noch zur Ennser Hütte. Die hat aber gerade diese Woche geschlossen, und so zockle ich den markierten Weg hinab.

Wohlschmeckend und ungefährlich: Ein Bärlauchtsunami.

Bis in beide Ohrwascheln bin ich schmutzig geworden. Wie in guten Kindertagen. Zecken habe ich keine, die sind alle auf mir ertrunken. Alles muss heute in die Waschmaschine: Kleidung, Fototasche und Rucksack, nur ich darf in die Badewanne.

So eine Wanderung erschöpft auf das Allererfreulichste. Diese Bergwaldwanderung hat mich geerdet. Schön ist es, wieder mit ganzer Seele daheim zu sein!

Im Anstieg ca. 620 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 10 km.