Entdeckerfreuden am Sonntagskogel

Ein schöner Rücken kann auch entzücken – so lässt sich unsere heutige Sonntagskogel Besteigung in kürzester Form zusammenfassen. Um Himmels willen nein, natürlich meine ich damit nicht die Rückseite meines Freundes, sondern den wirklich vortrefflichen Bärntalrücken.

Im Vorjahr sind wir in einer weiten Schleife vom Kleinen Grießstein über den Knaudachkogel und die Hochleitenspitze zum Gamskogel gewandert. Über das Gaaler Törl und den genialen Ochsenboden ging es zu unserem Ausgangspunkt zurück.

Heute parken wir schon etwas weiter vor der Franzlbauerhütte. Wir werden über das Frattental und Triebener Törl zum Sonntagskogel (2229 m) steigen. Aber unseren Rückweg wollen wir über den „unbekannten“ Bärntalrücken und den Schellberg (1672 m) suchen.

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Auf der Forststraße, an der Franzlbauerhütte und der Bärntalalm vorbei, geht es unter bewölktem Himmel ins Frattental. Im Norden, oberhalb steiler Rinnen, können wir schon einzelne bucklige Kuppen auf dem Bärntalrücken erkennen.

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Die niederen Tauern sind auch Wasserberge. Zu dieser Jahreszeit stehen sogar die Pfade abschnittsweise unter klarem Bergwasser. Bedenkenlos würde ich aus der Pfütze vor mir trinken.

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Glitzernd eilig fließt der Bärntalbach talwärts. Er lässt uns freundlicherweise trockenen Fußes queren, und durch Myriaden von Heidelbeersträuchern steigen wir im Frattental hoch.

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Der allererste Blick auf unser Tagesziel: Von Nebengipfeln umrahmt ist das eingezwickte Spitzerl in der Bildmitte der Sonntagskogel.

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Triebener Törl (1905 m)

Sonntagskogel_022 (CC)Am Triebener Törl werden mir böse Trinksprüche aus früheren Jahren in Erinnerung gerufen. Mit ganzem Körpereinsatz und in der Intonierung eines Rosenkranzes heißt es auf einmal:

„A Kreiz is mit de oidn Weiba, mit de oidn Weiba is a Kreiz…“ (es folgt eine unaussprechliche, völlig geschmacklose aber zugegebenermaßen trotzdem lustige Fortsetzung) und danach schließt die erste Strophe mit einem:

„Heiliger Pik Bua, bitt‘ für uns………….Heilige Pik Dam‘, bitt‘ für uns…….Heiliger Pik Kini, bitt‘ für uns!“

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Nur kurz haben uns diese feucht-schlimmen Erinnerungen in ihren Bann geschlagen, und so fliehen wir den Ort dieser unsäglichen Eingebungen.

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Wir finden unseren inneren Frieden wieder und steigen gemächlich über die Vorgipfel des Sonntagskogels hoch.

Der Blick ins Frattental zeigt alle denkbaren Grüntöne. Den Bildhintergrund gestalten der Lärchkogel (2258 m) und der lange Rücken mit dem Schleifeck (2048 m) und Schleifkogel.

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Hinter dem Vöttleck (1888 m) sind der Admonter Reichenstein und die Hochtorgruppe zu sehen.

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Der erste Teil unserer Tour aus dem Vorjahr ist hier gut zu überblicken. Aufstieg durch das Tal und über den Kleinen Griesstein, zum Knaudachtörl und weiter über den Grat zum Knaudachkogel.

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Unser Weg führt uns immer am Grat entlang. Die Brauntöne verraten uns, dass sich der Winter noch nicht lange zurückgezogen hat.

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In natürlich gedüngten Weiden sollen auch in unseren Gegenden „magic mushrooms“ gedeihen. Wir überlegen, ob dieses Exemplar im Kuhdung ein solches Zauberschwammerl sein könnte. Ich koste ein Stückchen von diesem „Fleisch der Götter“ und kann keinerlei Wirkung feststellen – nur die Konturen der umliegenden Berge…

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…werden etwas unscharf – irgendwie sehe ich jetzt alles sehr, sehr schwammig.

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Mit solchen Sehstörungen gäbe ich einen denkbar schlechten Schamanen ab. Was wäre,  müsste ich den Schwamm auch noch in der Pfeife rauchen, nicht auszudenken –  jetzt fällt mir wieder ein, was ich meinem Kollegen schon die ganze Zeit mitteilen wollte: „Dunkle Wolken ziehen auf über dem Land, wo die Schoschonen schön wohnen!“  Das ist aber schon alles, was ich unter Pilzeinfluss an tiefgehendem, lebensveränderndem Verständnis der Dinge zustande bringe.

Nach diesem spirituellen Intermezzo erreichen wir auf einem Schneefeld sehr würdig den „Wintergipfel“ des Sonntagskogels. Hier wird bei widrigen Bedingungen das Schidepot eingerichtet.

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Der sanfte Rücken des Triebenkogels (2055 m) oberhalb der für mich nicht erkennbaren (weil schon so verfallenen?) Triebener Hütte.

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Wir überklettern ein paar Blöcke, bevor es steil zum eigentlichen Gipfel geht.

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An Enzianfeldern vorbei…

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…gelangen wir zum Gipfel. Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Sonntagskogel (2229 m).

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Nicht nur für das Gamswild, auch für das Gipfelbuch dürfte es ein harter Winter gewesen sein.

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Der Blick vom Gipfel zeigt im Vordergrund den Geierkogel (2231 m), rechts dahinter den Triebenstein (1810 m) und links davon die Sunkmauer (1561 m).

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Der diesige Blick ins Pölsental zeigt links den Zinkenkogel (2233 m) und in der Bildmitte ist die Wurzleiten (2066 m) zu sehen und rechts davon der Kleine Bösenstein (2395 m).

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So schaut der Weiterweg zu Geierkogel oder Triebenkogel aus.

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Panorama vom Großen Grießstein (2337 m) bis zum Gamskogelgrat (2386 m).

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In greifbarer Nähe sind der Schleifkogel (2063 m) und das Schleifeck (2048 m) zu sehen. In meinem fotografischen Unverstand (magic mushrooms) habe ich den Lärchkogel (2258 m) geköpft.

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Mein letzter Blick gilt dem buntgefleckten, naturgesetzten Mosaik unter dem Sonntagskogel bzw. Triebenkogel (2055 m).

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Wir steigen exakt in westlicher Richtung ab. Und jetzt geschieht Sonderbares: Am Gipfel sitzend, ist dieser langgezogene Rücken gar nicht sichtbar. Erst nach einigen Metern im Abstieg entsteht er im Gehen – mit jedem unserer Schritte erschaffen wir diesen Grat.

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Und was für einen!  Eine echte Schönheit. Diese vielgestaltige Landschaft bleibt dem Gipfelbesucher auf den üblichen Wegen verborgen.

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Auch ganz neue Aus- und Einsichten bietet die Begehung. Hier der Blick in den Ochsenboden, zum Gaaler Törl.

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Ich könnte so immer weiter wandern – einfach weitergehen und gehen…und jetzt möchte ich an diesem Ort: „…an dem Wanderschuhe sich zum Sterben begeben“ (Bill Bryson)…

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…von meinen geliebten Freunden und treuen Begleitern auf den meisten von mir besuchten Bergen, über hundertausende Höhenmeter und hunderte Kilometer, Abschied nehmen. Meine Lowa Tibet, wiederbesohlt und unvergessen!

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Spuren sind immer wieder sichtbar. Eigenartig finde ich, dass über diesen gut begehbaren Rücken in keinem Führer (weder bei Jäckle, Holl, Buchenauer, Auferbauer, Hödl) noch im Internet, Informationen zu finden sind.

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Links und rechts stürzen steile Rinnen in die Täler.

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Es wird aber für mich noch unverständlicher. An diesem felsigen Aufbau findet sich nicht nur ein blühender Steinbrech, sondern auch eine…

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…Markierung?!?  Das ist mir jetzt zu hoch. Ich verstehe jetzt gar nichts mehr. Vielleicht ein Scherzchen unter Jägern?  Es bleibt aber bei dieser „einzigartigen“ Markierung, wir finden keine weitere.

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Im Rückblick ist der durchfurchte Rücken des Geierkogels einzusehen. Die Rippe links im Bild zieht zum wunderbaren Kainzenboden.

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Wir bleiben immer am Grat und wandern direkt auf den Schellberg zu.

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Im Abstieg queren wir eine Forststraße, um oberhalb einer großen Wildfütterung erneut  auf eine Forststraße zu treffen.

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Wiederum bleiben wir immer am Grat und steigen die wenigen Höhenmeter zum Gipfel hoch.

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Die „spirituelle“ Wanderung findet am flechtenüberspannten Schellberg ihr geisterhaftes, vorläufiges Ende.

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Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Schellberg (1672 m).

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Ebenso bemerkenswert auf dieser Wanderung sind unsere unzähligen indirekten Wildsichtungen.

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Wir gehen zur Wildfütterung zurück und folgen der Forststraße bis zu dem Punkt, an dem in der Karte ein unmarkierter Steig eingezeichnet ist. Weil wir nur rudimentäre Spuren finden, suchen wir uns im steilen Gelände den Weg einfach selber.

Sonntagskogel_118 (CC)Sonntagskogel_119 (CC)In

Gehrichtung rechts dieser Rinne kommen wir, einer Punktlandung ähnlich, ganz nahe bei unserem Auto wieder ins Tal. Ist das Können? Ist es Glück? Ist es Magie? Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass es nicht allzu oft vorkommt.

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Ein herrlicher Tourentag findet ein rühmliches Ende. Ich kann die Liselotte Buchenauer gut  verstehen, wenn sie 1975 in ihrem Buch „Verliebt in die Heimat“ schreibt: „…das flache Knaudachkar, das breite Mödringkar, die einsam-verwunschene Gaal, das weltverlorene Sonntagskar, (…) das geheimnisvolle Rauchaufkar im Schoße des großen Griesstein (…), das ist bis jetzt Niemandsland gewesen. (…) Ein Wunschland für Bergsteiger, die eine Aufgabe suchen“.

Ganz in diesem Sinne werde ich wiederkommen.

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Im Anstieg ca. 1020 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 10,4 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Triebener Tauern (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

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Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Auferbauer (2000): Bergtourenparadies Steiermark: Alle 2000er vom Dachstein bis zur Koralpe. Verlag Styria, Graz.

Buchenauer(1975): Verliebt in die Heimat. Leykam Verlag, Graz.

Bryson (1999): Picknick mit Bären. Goldmann Verlag, München.

Holl (2005): Niedere Tauern. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

Hödl (2008): Bergerlebnis Wölzer, Rottenmanner, Triebener Tauern und Seckauer Alpen. Steirische Verlagsgesellschaft, Graz.

Jäckle (1926): Führer durch die Östlichen Niederen Tauern. Sektion Edelraute d. Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Wien.

http://de.wikipedia.org/wiki/Magic_Mushrooms