Hoher Trailing – unbunt

So richtig kommen wir nicht in die Gänge, das Jahr 2014 und ich. In freudloser Müdigkeit lässt dieses Jahr einfach den Winter ausfallen. „Verschollen“ oder „verschwunden“ beschreibt diesen fehlenden Winter auch nicht, denn er war ja noch gar nicht da. Keine Woche hat er seinen kalten weißen Fuß in die Landschaft der Nordalpen gestellt. Eine Wanderung in den waldreichen Voralpen gleicht farblos der grauen Wanderung in der Woche davor und diese der braungrauen Wanderung zwei Wochen davor. Die Abwechslung passiert nur in meinem Kopf.

Das Kartenbild unserer heutigen bewaldeten Bergziele zeigt mit der sie umschließenden Forststraße dem seriösen Betrachter einen kindlich gezeichneten, verwackelten 8er.  Mir dagegen drängt sich eine ganz andere Übereinstimmung…

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…in meinen für vergleichende Erinnerungen zuständigen Gehirnlappen auf:

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© Goldmann Verlag Gary Larson

Waldberge nördlich des Sengsengebirges haben wir uns für heute ausgesucht. Annasberg (1172 m), der Hohe Trailing (1237 m) und sein Trabant, der Niedere Trailing (975 m), sind unsere Ziele. Wir parken unser Auto beim Gehöft Hochsteiner und wandern die ersten Schritte auf der spiegelglatten Asphaltstraße. Nur wenige Meter müssen wir in der Weide oberhalb des Bauernhauses hochsteigen, um unsere Augenpaare über die Nebelgrenze zu hieven. Nase, Kinn und die tragenden Extremitäten bleiben im Nebel.

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Wie wertvolles Porzellan ist Molln in weißes Seidenpapier gepackt. Ein gar nicht raketengleicher Jagdstand ruht aufgebockt am Wiesengrund. Signalisieren Jäger den Rehen und Hirschen so die winterliche Waffenruhe?

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Wir wandern über die Wiese zum Waldrand, dort auf breitem Weg bis zur ersten  Markierung. Wir müssen sehr genau schauen, um sie auch zu sehen. Dann überklettern wir einen verwachsenen Zaun und queren auf einem guten Steig den Waldhang bis…

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…zum sonnigen, warmen, ausblicksfreundlichen Gratarm.

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Wir durchwandern jetzt einen sonnigen Tagesabschnitt, es ist warm und hell, aber…

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…diese betongrauen Jungbuchen und braun ermatteten Gräser und Blätter lassen einen Berg wie den anderen aussehen. Hier der heutige Anstieg zur Toif Jagdhütte und hier…

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…der Anstieg zur Spindeleben am 11. Jänner 2014 und …

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…kurz vorm Wetterkogel am 28. Dezember 2013 und…

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…am Fahrenberg am 16. November 2013.

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Momentan unterscheiden sich Besuche dieser Waldberge nur durchs Wetter und ihre Nachbarschaft. Den Blick aufs Sengsengebirge habe ich so nur von diesem Berg. Wenn ich mich nicht täusche, ist das der Hochsengs (1838 m) in der Bildmitte.

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Die Jagdhütte Toif ist bald erreicht.

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Diese Stille ist befremdlich und Vogelgezwitscher fehlt hörbar. Einmal weil es ja Winter ist und andermal ist diese Wohnsituation für die Gefiederten auch nicht gerade einladend (siehe Foto). Karl Gerok (1850 – 1890) beschreibt in einem Gedicht sehr treffend meine Eindrücke:

der morgen so stumm,
nebel ringsum,
die luft so kalt,
farbe nirgends und nirgends gestalt,
die welt wie grau in grau gemalt.

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Wir folgen hinter der Jagdhütte einem Steig in die Westseite des Berges bis zu einer felsigen Aussichtskanzel. Belohnt werden wir mit diesem Blick auf Ramelspitz (1054 m) und Eibling (1108 m).

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Nach dieser Kanzel führt der Steig in der Westflanke weiter abwärts. Das ist der richtige Zeitpunkt, um ihn zu verlassen und in direkter Linie zum Gipfel hochzusteigen.

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Obligatorisch bunt und unverzichtbar: Gipfelfoto Annasberg 1172 m.

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Fast jeder Baum auf diesem Gipfel hat seine Skarifizierung (Cutting) von Menschenhand.

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Manche Bäume täuschen diese geritzten Inschriften einfach nur vor und bleiben darum von den Taschenmessern der Verliebten unbehelligt.

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Wie ein mystischer Kultplatz präsentiert sich der Gipfel.

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Nach kurzer Rast verlassen wir den höchsten Punkt am Kamm in nordöstlicher Richtung, um auch noch die Felsen der Schwalbenmauer zu besuchen.

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Der Felsen ist nicht schwer zu ersteigen und ermöglicht uns, den Blick über die Baumspitzen hinaus auf die Inseln davor zu richten.

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Nach einer kurzen Rast wandern wir an der Ostseite in Richtung Süden weiter. Der Himmel bleibt bedeckt. Wir steigen vorsichtig über steile Hänge auf den Hohen Trailing zu. Seine Besteigung dürfte von allen Seiten steil und mühsam werden. Zu meinem Motivationsglück ist Stefan in bester Verfassung und guter Laune.

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Diese Bergwiese ist wirklich steil. Wir queren sie vorsichtig – mit Schneeresten gäbe es da eine unbeschreiblich temporeiche Rutschpartie.

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Auf der dem Trailing zugewandten Seite findet sich freundlicheres Abstiegsgelände. Dieser Abstieg gleicht mehr einem Versickern so ganz ohne Weg und ohne Tempo.

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Endlich erreichen wir den tiefsten Punkt zwischen den beiden Bergen. Im Abstieg haben wir uns schon abgesprochen. Da es keine schonende Aufstiegsvariante gibt, werden wir den erstbesten, „einladenden“ Schlag für unseren Anstieg nehmen.

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Der Blick zurück auf den Annasberg zeigt die soeben gequerten und abgestiegenen braungelben Steilwiesen.

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Wir gehen die Forststraße ein Stück hoch und entscheiden uns, auf einer dieser Rippen des Berges aufzusteigen. Ein Wildwechsel ist uns willkommen, und wir halten ihn für eine unausschlagbare Einladung hochzusteigen.

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Über schwieriges Holzschlaggelände und sich mehrende Schneeflächen wursteln wir uns mühsam hoch. Hier fordert dieser Berg die gleiche Kraft und Gesinnung, wie eine Expedition oder Hochtour von mir. Aber irgendwann einmal heißt es auch heute…

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…Berg aus!

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Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Hoher Trailing (1237 m).

Im Hintergrund ist im Gegenlicht (Südwesten)  der Ramsauer Größtenberg (1458 m) nur schemenhaft zu erkennen.

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Stefan ist schon einige Zeit vor mir am Gipfel. Zwei Wochen Radurlaub mit vielen Höhenmetern bringt ihn für mich in einen unerreichbar konditionellen Olymp. Da ist dieser Waldberg für seine rasierten Radlwaden nur ein Schupferl.

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Jetzt am Nachmittag verändert sich das Wetter doch noch ins Blaue. Selbst den kalten Wind kann man auf diesem Foto erahnen.

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Hinter dem Annasberg ist zu sehen: Dürres Eck (1222 m), Gaisberg (1267 m), Hochbuchberg (1273 m), Koglerstein (1257 m) und der vielbesuchte Schoberstein (1285 m) mit der Schobersteinhütte.

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Nach kurzer Speisung und der erforderlichen Verabreichung von Elektrolyten steigen wir exakt am Verbindungskamm zum Niederen Trailing ab. Es zeigt sich, dass diese Variante auch für den Aufstieg die gscheitere gewesen wäre.

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Sonnenstrahlenhände tasten nach den Schneeflecken oder dem ersten Grün. Alte, nirgends erwähnte Markierungen leuchten ebenso in ihnen auf.

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Wir halten exakt auf den Niederen Trailing zu.

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In braungeborenem Gelände ist es vom Forststraßensattel nicht mehr weit, und…

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…ohne große zusätzliche Anstrengung erreichen wir den Niederen Trailing (975 m).

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Endlich passiert das, was ich mir schon lange wünsche. Ich werde am Berg überrascht –  von der unberechenbaren Dunkelheit. Wir werden „unschuldige“ Opfer der Tageskürze.

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Der Weg zurück auf der Forststraße ist noch ein weiter (ca. 6,5 Kilometer), und schon bei der Hälfte der Strecke ist es bereits stockdunkel. Verstärkt wird die Dunkelheit auch noch durch den einfallenden Nebel. Der tupft sich zuerst in die Dämmerung nur so hinein, um danach mit der Finsternis die Hand vor den Augen verschwinden zu lassen. Trotzdem sind wir zu faul, unsere Stirnlampen aus den Rucksäcken zu holen. Ungewiss ist es auch, ob wir sie in dieser Dunkelheit in unseren Rucksäcken überhaupt finden würden.

Eigenartig sind die Temperaturschwankungen am Rückweg. Einmal steigen wir regelrecht in eine warme Wand, dann wieder kühlt es wie in einer Gletscherspalte plötzlich ab. Am nächsten Tag wird Weyer in OÖ mit 14 ° einen winterlichen Hitzerekord verzeichnen.

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Im Anstieg ca. 1105 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 17 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region OÖ Voralpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

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Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Heitzmann, Harant (1996): OÖ-Voralpen. OeAV-Führer, Ennsthaler Verlag, Steyr.