Es ist für jeden Menschen glückselig machend, wenn er vom Vertrauten, gut Bekannten, täglich Gesehenen noch gelockt, oder gar verlockt werden kann. Bei mir gelingt das mit Leichtigkeit meiner Frau und den Bergen im Ybbstal. Mein heutiger winterlicher Ausflug zum Nahen gilt dem Maisberg bei Ybbsitz. Bereits im Dezember 2012 bin ich eine Variante der heutigen Schitour gewandert. Und im Mai 2014, bei meiner Siebenhügelwanderung, habe ich im Abstieg einen Teil meines heutigen Aufstiegs beschritten.
Von der Straße zwischen Waidhofen/Ybbs und Ybbsitz, bei Ederlehen, biege ich ab und fahre noch 350 m, beim Ederbauer vorbei, über die Kleine Ybbs, bis zum Bauernhaus Kleinhöll. Dort findet sich zumeist ein Parkplatz. Am Foto ist der Blick vom Parkplatz zurück zum Ederbauer und zur B 22 zu sehen.
Ungestreut und ungesalzen, nur plattgefahren, ist der Straßenuntergrund. Es ist nicht so kalt wie in den Tagen zuvor. Der grimmige Winter mit seiner beißenden Kälte hat heute seine Zähne am Nachtkastl vergessen. Das ist mein Glück. Denn die große Kälte halte ich gar nicht gut aus, und wenn es besonders frostig ist, fällt mir immer diese Stelle aus einem Roman von Ivo Andric ein: „Der Winter leerte die Scheunen und versperrte die Straßen. Vögel fielen tot aus der Luft wie Gespensterobst von unsichtbaren Zweigen. Die Menschen erfroren auf den Straßen, auf der Suche nach Brot oder einer warmen Unterkunft. Die Kranken starben, weil es gegen den Winter keine Arznei gab (…)“ Da wird mir schon beim Lesen kalt.
Doch heute ist alles anders. Besser. Viel besser.
Neben der Straße zieht die Aufstiegsspur zum Gegenlicht.
Beim Bauernhaus Großhöll könnte ich gleich links über die steile Wiese mit ihren Abfahrtsspuren aufsteigen. Das mache ich nicht und wandere zwischen den Häusern durch,…
…um auf den Hang hinter dem Bauernhaus zu gelangen. Den steige ich bis zu diesem Ziehweg hoch.
Blick zum steilen Hang, den ich jetzt ausgelassen habe, der mich aber heute noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei dem einen oder anderen Sturz in der Abfahrt noch spüren wird.
Die Landschaft kommt mir wieder einmal ganz neu vor, obwohl…
…ich sie in allen Jahreszeiten kenne. Zumindest oberflächlich. Aber weiß ich wirklich etwas über diese alten Obstbäume und umzäunten Wiesen? Ihre oberirdischen und unterirdischen Bewohner? Bin ich nach wenigen Besuchen mit ihren Besonderheiten vertraut?
Vielleicht geht es mir mit dieser Landschaft, wie anderen mit mir.
Viele halten mich für die alte Persönlichkeit, die sie gekannt haben. Sie wissen nichts von den wandelnden Ereignissen in meinem Leben und halten mich für eine Fortsetzung. Dabei bin ich schon lange ein anderer.
Wie mein Vater auch. Im Winter 2005 habe ich diese Tour mit ihm gemacht. Damals war er 72 Jahre alt, und es war die letzte Skitour seines Lebens. Jetzt ist er 84 und selbst sein altes Eisen erfuhr in diesen Jahren noch Veränderungen. Die Schneide seiner Erfahrung wird langsam stumpf.
Am Bauernhaus Loimersreith vorbei, steige ich den sanften Hang hoch.
Schlecht schaut das jetzt nicht aus.
Diese Skitour führt durch eine typische Mostviertler Kulturlandschaft, die über Generationen mit sehr viel Mühe gestaltet, gepflegt und erhalten wird. Der kleine Auszug hier enthält das ganze Mostviertel.
Hinter dem Bauernhaus Glatz steige ich weiter die Wiesen hoch.
Ein Sommerbild vom Gehöft und der Wiese darüber.
Wie in den Schnee gesteckt, ragt bereits die Windspreizenkapelle vor mir auf.
Von der Kapelle folge ich dem Bogen (nach links) der Forststraße bis…
…zu diesem Stadel. Hier steige ich den völlig zerfahrenen, schon etwas aufgeweichten Hang weiter hoch.
Den zweigeteilten Hang (eine Forststraße durchschneidet ihn) steige ich bis zum Waldrand hoch. Hier stehe ich vor der bewaldeten Kuppe des Maisbergs nur noch fünfzig Höhenmeter unterm Gipfel. Manche wandern direkt durch den Wald, und andere machen es wie ich. Ich bleibe für wenige Meter auf der Forststraße bis zum markierten Aufstieg.
Still, helldämmrig und kühl, wie in einer Kirche mit hohen Fenstern, ist es hier. Es liegt genug Schnee, um auch mit Schiern bis zum Kreuz zu gelangen.
Leicht zwänglerisch und darum sehr befreiend: Gipfelfoto Maisberg (942 m).
Im kühlen Baumschatten beim Kreuz bleibe ich nicht. Ich steige wieder zur Forststraße ab und nehme auf der Sonnenterrasse Platz:
Monsieur Peter bei der Pflege seines Seelenfriedens.
Und weil ich sehr selbstfürsorglich bin, habe ich auch bei dieser „kleinen“ Tour das volle Verpflegungsprogramm im Rucksack. Mit der gründlichen Verputzung der geschmackssicher zusammengestellten Jause verbringe ich viel Zeit in der mittäglichen Sonne.
Bevor allerdings der Schnee völlig wässrig wird, mache ich mich an die Abfahrt. Ich wähle den kurzen Weg über das Johann-Lueger-Kreuz,…
…an der Hintsteiner Mauer vorbei,…
…zurück zum Bauernhaus…
…Großhöll. Es ist noch früher Nachmittag, und trotzdem schafft es die niedrig stehende Sonne nicht mehr bis zum Talboden. Das Gehöft gehört bereits wieder dem Winterschatten.
Ohne Anstrengung, lautlos wie eine Boeing 747 mit schublosen Triebwerken im Landeanflug, gleite ich zu meinem Ausgangspunkt zurück.
Im Anstieg ca. 585 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 7 km.
Senf dazu? Sehr gerne!
Darf’s ein bisserl mehr sein?
Weitere Unternehmungen in der Region Ybbstaler Alpen (Auswahl):
- Heimspiel – Schitour auf den Schnabelberg (958 m)
Schnabelberg (958m) - Prochenberg
Prochenberg (Kreuzkogel) (1123m), Haselsteinmauer (904m) - Vom Lugergraben auf den Schnabelberg Südgipfel (964 m)
Schnabelberg Südgipfel (964m), Schnabelberg (958m) - Von den Malediven auf den Hirschkogel
Hirschkogel (1078m) - Schneeschuhpremiere in Atschreith
Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.
Meine Quellen:
Ausschnitt aus Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.
Meine Wanderung auf den Maisberg.
EPILOG
Am 2. März 2005 habe ich diese Tour mit meinem Vater unternommen. Es war ein sonniger Prachttag.
Mit der warmen Kleidung haben wir beide es zu gut gemeint.
Mit welcher Freude mein Vater auf diese verschneite Landschaft blickte, ließ mir so richtig das Herz aufgehen.Und mit meiner eigenen Freude dazu habe ich den Gewinn dieser Tour spielend verdoppelt.
Geplagt haben wir uns in der Märzhitze schon:
„Ich zähl meinen Weg mit Seufzern, er mit Stöhnen“ (Shakespeare Richard II)
Wir sind bis zum Gipfel gewandert und haben erst später eine Abfahrtsrast eingelegt.
F I N