Cypripedium calceolus und weiße Ois

Der Titel dieser Unternehmung gleicht einem Zauberspruch. Und tatsächlich wird der vermutete Termin für dieses Ereignis Jahr für Jahr im Kalender vorgetragen. Und oftmals gelingt es uns auch, zum exakten Zeitpunkt da zu sein. Worum handelt es sich? Es ist die Blütezeit des Gelben Frauenschuhs. Diese wunderbare Orchidee kommt in großen Mengen am Fuße des Großen Zellerhutes im Bereich der Ybbsquelle vor.

Vor der Kirche in Neuhaus am Zellerrain fahren wir noch über die schmale Brücke des Faltlbaches und parken zwischen dort gelagerten Baumstämmen unser Auto. Meine Biologie studierende Tochter und meine Frau sind nicht mehr zurückzuhalten.

Wir gehen auf der Forststraße den Faltlbach ein Stück entlang. Es blüht und grünt und das Wasser rauscht.

Die Vielfalt überfordert sogar unser kluges Bestimmungsbuch. Bald verlassen wir die Forststraße und folgen dem Höllertalbach. Und schon nach wenigen Metern…

…bestätigt sich unsere Terminwahl. Blühender Frauenschuh schon von Beginn weg.

Diese Orchidee wurde in den Jahren 1996 und 2010 in Deutschland zur Orchidee des Jahres gewählt. Die Auswahl dazu erfolgt nach der Gefährdung der Art oder ihres Lebensraumes durch den Menschen. Somit sind die beiden Nominierungen keine Prämierungen (dies wäre auch ziemlich unsinnig), sondern stellen einen Hilfeschrei dar.

Bekannte Vorkommen werden Jahr für Jahr zur Blütezeit von größeren Menschenmengen besucht. In der Schweiz ist es zum Beispiel das Gasterntal im Berner Oberland. In Österreich ist es das Lechtal, das die größten Vorkommen hat. (Quelle: Wikipedia)

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Wir folgen dem vermoosten, verwachsenen, verspielten Höllertalbach.

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Der Blumenreichtum in diesen unbeweideten und nie gemähten Bachbereichen ist unvorstellbar groß.

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Es gibt einen guten Weg neben dem Bach. In früheren Zeiten existierte ein Ziehweg. Reste von Brücken und Befestigungen sind erkennbar.

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Hier beginnt der kurze Anststieg zwischen dem Hinteren Brennkogel und dem Hochpfann auf das Kalbengatterl (1146 m). Links und rechts des Weges liegen von Stürmen gestürzte Bäume und man meint sich bereits im nahen Urwald (Rothwald) zu befinden. Der Rothwald ist ein 40 km² großes, großteils naturbelassenes Waldgebiet. Es ist Österreichs einziges Strenges Naturreservat (IUNC Ia) nach Richtlinie der World Commission on Protected Areas (WCPA).

Der streng geschützte Nordteil umfasst den kleinen und den großen Urwald mit zusammen fast 500 ha, die nie forstwirtschaftlich genutzt wurden. Dieser für Österreich einzigartige Zustand kam durch die abgelegene Lage und die Besitzverhältnisse zustande. (Quelle: Wikipedia)

Nach Überschreitung des Kalbengatterls freut sich meine Tocher auf den Ybbsursprung.

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Links Gabi, Bildmitte Ria und rechts Weiße Ois vulgo Ybbs.

Wikipedia (selber eine Quelle des Wissens) weiß dazu:

Die Quelle befindet sich in der Nähe von Mariazell an der niederösterreichisch-steirischen Grenze am Fuße des Großen Zellerhutes. Der Fluss trägt anfangs den Namen Weiße Ois, nach etwa 5 km Fließstrecke heißt er dann Ois und ungefähr ab Lunz am See bis zur Mündung in die Donau bei Ybbs an der Donau, Ybbs.

Dieses Foto soll Rias Überraschung angesichts der Orchideenfülle vor Augen führen. Die Überraschung wird von Ria total glaubwürdig dargestellt.

Jetzt folgt, die Weiße Ois entlang, der etwas heiklere Teil der Wanderung. Der Weg führt im Hangbereich des Brennkogels oberhalb der Ois in brüchiges und steileres Gelände. Dieser Bereich ist nicht schwierig, aber erfordert schon Trittsicherheit.

Würde man hier die Ois überqueren und am gegenüberliegenden Hang aufsteigen, wäre der Große Zeller Hut (1639 m) bestiegen.

Immer wieder finden wir ganze Stöcke von Orchideen.

Die Südabbrüche des Brennkogels zur Weißen Ois.

Weil wir uns so auf den Frauenschuh konzentrieren, bleibt viel zuwenig Aufmerksamkeit für alle anderen Blumen.

Ein Wegstück lenkt unsere Schritte doch sehr hoch oberhalb des Wassers.

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Wie man auf diesem Bild erkennen kann, findet man neben der Ois nicht nur Frauenschuh und andere Blumen, sondern auch bereits Latschen (Legföhren).

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Von Neuhaus über die Faltlhöhe führt auch ein unmarkierter Steig auf den Großen Zellerhut. Die Abzweigung wird durch ein weißes Band und ein Steinmännchen markiert.

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Vom Paradies in die Forststraßenhölle. Die grüngewandeten Naturschützer verhindern zumindest, dass Mountainbiker noch größere Schäden an der Natur anrichten!?!?!

Nach einem kurzen Forststraßenanstieg erreichen wir die Faltlhöhe mit 1100 m Höhe. Jetzt führt die Straße nur noch abwärts.

An diesem großen Tümpel bestaunen wir z.B. die Larven der Köcherfliege.

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Weiter geht es entlang bewirtschafteter Wiesen. Wie sehr sich diese Wiesen in ihrer kultivierten Schönheit von der wilden Schönheit der urigen Bachwiesen unterscheiden, kann man auf dem nächsten Foto erkennen.

Mit diesen Kästen sollen, so vermuten wir, die ausgeflogenen Bienenköniginnen (Hochzeitsflug) samt begleitendem Volk eingefangen werden.

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Ria folgt ihrer Devise: Wo Wasser ist, ist Leben!

Um uns die Zeit des Rückmarsches zu verkürzen versuchen wir als „Erblindete“ mit unseren Sinnen und dem Wanderstock, auf der Forststraße zu bleiben.

Wieder in Neuhaus, werden zuerst die heißgelaufenen Gehwerkzeuge  abgekühlt.

Über dieses Brücklein führt ein Weg zum malerischen Friedhof von Neuhaus.

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Dieser sehr eigenwillige Holzzaun fordert unsere Neugierologen.

Hier kann man schon die höchstgelegene Pfarrkirche Niederösterreichs erkennen (1000 m). Vor allem für die zahlreichen Wallfahrer auf dem Weg nach Mariazell war Neuhaus eine wichtige Raststation. 1856 wurde diese verhältnismäßig große, neugotische Pfarrkirche erbaut.

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Hierbei handelt es sich nicht um eine rund um den Friedhof gezogene Wäscheleine. Um Hirsche und Rehe vom Friedhofsbereich fernzuhalten, wurde der Zaun entsprechend aufgestockt.

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Im Anstieg ca. 160 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 9 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

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Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Steffan/Tippelt (1977) Ybbstaler Alpen, AV-Führer, Bergverlag Rother, München.