Die Besteigung dieses Gipfels ist ein Klassiker an der Sölkpassstraße. Hoch über der Passkehre mit der Erzherzog-Johann-Hütte ragt der Hochstubofen auf. Gerne wird der „Ofen“ auch von der Südostseite erstiegen, viele Beschreibungen führen von der Neunkirchner-Hütte bzw. Hölzerhütte auf den Gipfel. Für uns jedoch ist der Weg aus dem Großsölktal viel näher. Weil wieder ein grandios heißer Tag bevor steht, ist diese Tour mit dem hohen Ausgangspunkt (der Parkplatz liegt auf 1490 Meter Seehöhe) die richtige Antwort auf die bevorstehenden 36°C im Tal.
Jetzt aber liegt noch ein kühles, bläuliches Morgendunkellaken über der Landschaft.
Liselotte Buchenauer beginnt das Kapitel über den Hochstubofen in ihrem Buch „Verliebt in die Heimat“ so: „Das ist ein anheimelnder Name für einen eigenartigen Felsberg, den man schon der Gestalt nach mit keinem anderen im Reich der Niederen Tauern vergleichen kann. Er ist abgerundet und doch ein arg felsiges Ding, er trägt eine geräumige Terrasse in seinem Nordabsturz und hat doch scharfschneidige Grate nach Nord und Süd gerichtet und eine „dräuende Ostwand“. Man denkt, wenn man seinen Namen hört, unwillkürlich an einen großen Kachelofen in warmer Bauernstube. Steht man dann vor ihm, so ist’s aus mit der Gemütlichkeit! Der Hochstubofen ist der begehrteste Hochgipfel in der Bergumrahmung der Neunkirchner Hütte, von keiner Seite ganz leicht zu erreichen.“
Unser Berg hat seine eigene gelbe Tafel (mit dem Extrahinweis „hochalpin“), und drei Stunden werden uns für seine Besteigung zugestanden. Aber wie Thomas Gottschalk sehe ich Programmzeiten lediglich als Empfehlung und überziehe auch gerne. Also dreieinhalb Stunden werden’s schon werden.
Weil es auf 1500 Meter Seehöhe morgenfrisch ist, tragen Markierungssteine Trapper-Mützen aus Moos,…
…und Gabriele scheppert kurzhosig wieder einmal wie ein Kluppensackerl.
Von überallher stürzen Wasser herab, jedoch wurde der einstmals so feuchte Weg…
…größtenteils gut trockengelegt.Trotzdem ist die heutige Tour für Gabis neue Wanderschuhe…
…gleich eine Bewährungsprobe. Denn ihre langgetragenen, umhegten, gepflegten alten Schuhe…
…starben ja bei unserer letzten Tour auf die TAC-Spitze den Hydrolyse-Tod.
Den Socken-bleiben-trocken-Test bestehen die neuen Schuhe gleich zu Beginn.
In vorauseilender Wehmut nehme auch ich Abschied von einem langjährigen Begleiter. Den gelbgrauen Deuter-Rucksack trage ich zum letzten Mal am Rücken. Von seiner besonderen Bedeutung für mich erzähle ich im nächsten Blogeintrag.
Auf einer Geländestufe, am östlichen Rand der Winkleralpe, steht etwas, das dort nicht hingehört. Der erste Anblick lässt uns ja an einen einzelgängerischen Holländer denken, der sich einen naturnahen Parkplatz gesucht hat. Der zweite Gedanke ist aber vermutlich der richtigere: Dieser abgestellte Wohnwagen ist eine Jägerbleibe. Dabei sind solche Tipis für volle Fahrt, für die Bewegung, die weite Reise und die Straße geschaffen und nicht, um auf Dauer als ungeahndete Landschaftsbeleidigung abgestellt zu werden. Leider ist dieser kunststofflangsam verrottende Plastikkadaver gut sichtbar.
Gewöhnlich legt die lodenliebende Jägerschaft viel Wert auf repräsentable, tarnende Außenwirkung in Wald, Revier und Forst. Üblich beginnt dieser Jägerlifestyle am Kopf…
…und endet beim stilbewussten Waidmann erst unter der Hose. Denn selbst bis zur Unterwäsche weiß ein Grünrock, wie er auszusehen hat…
…und auch die Jägerin weiß das. (Mein Gott, ich werde nie wieder einem Jäger, einer Jägerin unbefangen gegenübertreten können.)
Warum dann ein ausrangierter weißer Wohnwagen-Leichnam völlig lieb- und ideenlos, ohne Camouflage, aufgebockt in die Landschaft gestellt wird, das weiß der Kuckuck auch nicht.
Mit Schaudern wenden wir den Blick ab. Zu unserem Glück ist er nur ein Stecknadelkopf in der weiten grünen Decke des Sölktals. Und schon werden wir abgelenkt von der Aussicht und Kälbern, die uns verschreckt den Weg freigeben. Noch führt der Weg nicht hin zum Berg, sondern weg vom Berg, in Richtung Mahfeldalm.
Tatsächlich beherrscht wird die Aufstiegsszenerie von den wunderbaren, aufragenden, …
…bereits besonnten Gipfeln über der Kaltenbachalm.
Langsam zieht die Sonne auch bei uns das Schattenlaken ab. Die Bettwäsche wird weggeräumt.
Hier mündet der Weg von der Mahdfeldalm ein. Endlich gibt’s die Kehrtwendung, und der Pfad wendet sich dem Berg zu.
Da haben wir schon ein paar grüne Höhenmeter hinter uns gebracht. Und ja, den weißen Stecknadelkopf kann man von hier oben auch noch ausmachen.
Nicht mehr lange werden wir im angenehm-kühligen Schatten von Schafdach (2314 m), Melleck (2365 m) und Krautwasch (2360 m) hochsteigen,…
… der Geruch der kommenden Hitze liegt schon in der Luft.
Grünlichtspiele durchsetzt von Rosenaugen.
Gekrümmte vorgeburtliche Wesen, aus denen entweder Farne oder Bischofsstäbe werden.
Auf zirka zweitausend Meter befindet sich die nächste Wegteilung. Wir gehen nicht zur Haseneckscharte (hasen = rauh) und wählen den direkten Aufstieg. Der Anstieg ist aber nicht wirklich direkt, sondern führt, in einem Halbkreis, zuerst in die westliche Flanke des Berges.
Hochalpin empfinden wir den Steig auch jetzt noch nicht, aber es ist ein richtiger Tauernsteig: eng, rauh und hochgestuft.
Ein zwar gut markierter, jedoch ungekünstelter Bergweg in alpinem Gelände…
…mit alpiner Dekoration wie zum Beispiel hier: Schmuckpolster mit Alpen Grasnelken.
Schließlich bekommen wir einen ersten Blick auf die noch zahlreichen finalen Meter am grasigen Westgrat bis zum Gipfel. Im rechten Bildteil sind aufsteigende Menschen gerade noch zu erkennen.
Wir eilen nicht, wir haben Zeit. Genügend Zeit für Arnika und die entsprechenden Gedanken dazu: Monsieur Peter nach einem Arbeitstag…
…und der selbe Monsieur Peter nach einem Tag am Berg.
Die Einsattelung in der Bildmitte ist unser nächstes Ziel. Dort beginnt der zuvor fotografierte Anstieg am Westgrat.
Ein kleines Schneefeld queren wir vorsichtig…
…und ebenso vorsichtig das Blockfeld danach.
Den silbrig glitzernden Hang wandern wir zur Scharte hoch.
Blick zurück aufs Sölktal bis zum felsigen Kammspitz (2139 m).
In der Einschartung erwartet uns eine willkommene Abkühlung. Die Düsenwirkung in der Scharte beschleunigt die Luft, und das ergibt kühlenden Wind. Wir können auf den Feistritzbach und das herrliche Tal bis zum Seefeld sehen.
Westlich begrenzt und von der Sölkpassstraße getrennt wird das Tal vom langen Gratarm mit der Narrenspitze (2336 m) und dem Ameiskopf (2245 m).
Schmelzsee mit blauem Eislidschatten.
Wir reißen uns von den großartigen Ansichten los und beginnen mit dem letzten Anstieg.
Unterhalb des Gipfels ragen wehrhafte Steinspitzen…
… wie Drachenschuppen aus dem Bergrücken und schaffen eine märchenhafte Szenerie.
Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Hochstubofen (2385 m).
Liselotte Buchenauer schreibt über das Am-Gipfel-Stehen am „Ofen“:
„Dennoch sind wir uns beim Gipfelkreuz einig, der Hochstubofen ist kein Allerweltsgipfel, sondern ein Berg für Bergsteiger. Die Aussicht reicht bis zu den Julischen Alpen und den Gletschern der Ankogelgruppe.“
Bis zu den Julischen Alpen reicht die Weitsicht heute nicht, aber der Rundumblick ist nichtsdestoweniger von besten Eltern.
Der Norden.
Der nahe Nordosten.
Bergland wohin wir blicken. Auch im entfernteren Nordosten, wo bestimmt tausende Menschen jeden Tag am Abend ein Steirerkasbrot essen.
Der linke Süden.
Der rechte Süden.
Der Westen.
Der Nordwesten. Das Deneck (2433 m), die darunter liegenden Kaltenbachseen (der untere und der mittlere) und rechts der Bildmitte, sehr dominat, der Knallstein (2599 m).
Wieder einmal lasse ich ein wunderbares Gerhard Eidenberger Panorama zu Wort kommen. Einfach ins Bild klicken.
Ich war mit meinem gewichtigen Freund Franz schon einmal am Hochstubofen. Davon erzähle ich im Epilog mit wenigen Bildern.
Hoch über der Rocklscharte, mit Blick zum Gipfelkreuz der um 90 m höheren Rettelkirchspitze (2475 m).
Ungelenk fallen die ersten Schritte nach dem Gipfelsitzen immer aus, besonders, wenn es steil hergeht.
Unerschrocken, bis an den Rand der Verwegenheit, nähere ich mich dem heute schon gequerten, alpinen Schneefeld…
…nicht unüberlegt, aber voller kindlicher Vorfreude: Sackerlrutschen Yippie! Oder wie unsere deutschen Nachbarn sagen würden: Tütengleiten Juchee!
Als ich Kind war, dachte ich, dass man für Wasserski abschüssige Seen braucht.
Jayrôme C. Robinet
Schön hat es geflutscht. Auf diese lustvolle Weise kann man sich zusätzliche Höhenmeter besorgen.
Gabi nutzt jetzt den Vorsprung, um den Blumen näherzukommen.
Arnika und die seltene Karpaten-Hundskamille.
Quirlblättriges Läusekraut und Alpenmannschild und noch viele mehr.
Die angekündigten drei Stunden für den Aufstieg benötigen wir für den Abstieg.
„Und mit der Schönheit ist’s wie mit der Andacht – man kann sich ihr nicht im Vorübergehen widmen.“
Herman Melville (Billy Budd)
Lediglich ein dünner Schatten, ein kleiner Freudendämpfer, legt sich im Abstieg über diesen grandiosen Bergtag. Weil Gabriele Seidenhaut an den Füßen trägt, spürt sie jeden Stein durch die, für solche Bergtouren doch zu dünnen Schuhsohlen. Der Schuh ist schon gut – für solche Touren jedoch zu leicht.
Nur ungern verlassen wir diese Landschaft mit ihrer packenden Kraft und den…
…unzählbar vielen Grüntönen.
Und eingekehrt sind wir in der Erzherzog-Johann-Hütte auch. Neben kühlen Getränken und einem Eis gab es etwas, das wir an diesem Tag schon vermisst hatten: Schatten. Warum die Schattenwirtschaft von der Politik bekämpft wird, ist uns in diesem Augenblick völlig schleierhaft.
Nicht ganz uninteressant ist diese Karte, am unteren Rand des Kartenausschnitts findet sich der Hochstubofen und die Berge um ihn. Auf dieser Wanderkarte Gröbming und St. Nikolai, 1:75000 (nach Zeichenschluss 1894, Kartographisches, früher Militärgeographische Institut, Wien) fehlt die Sölkpassstraße und nur der alte Saumweg ist eingezeichnet. Die Straße auf den Sölkpass wurde ja erst in den 1950er Jahren erbaut. Nähere Infos dazu finde sich auf der EnnstalWiki.
Im Anstieg etwa 920 Hm und zurückgelegte Entfernung nahezu 9,5 km.
Senf dazu? Sehr gerne!
Darf’s ein bisserl mehr sein?
Weitere Unternehmungen in der Region Niedere Tauern, Wölzer Tauern (Auswahl):
- Mille grâces Hochreichart (2416 m) et Hirschkarlgrat (2282 m)
Hochreichart (2416m), Hirschkarlgrat Ostgipfel (2282m), Hirschkarlgrat Westgipfel (2239m) - Schitour Gstoder (2140 m)
Gstoder (2140m) - Zinkenkogel im Schatten der Bösensteine
Perwurzgupf (2082m), Zinkenkogel (2233m), Steinwandkogel (2131m), Gamshöhe (2028m), Schüttnerkogel (2170m), Kohlmeisriedel (1995m) - HWST – Aufstieg zur Preintalerhütte
- Triebenkogel – Tour im Joghurt
Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.
Meine Quellen:
Ausschnitt aus Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.
Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.
„Als ich Kind war, dachte ich, dass man für Wasserski abschüssige Seen braucht.“ ist ein abgewandeltes Jayrôme C. Robinet Zitat in Kulturzeit.
EPILOG
Am 15.7.2003 war ich mit Franz schon einmal am Hochstubofen.
Mein Freund Franz war eine gewichtige Person, und es zeugt von seiner großen …
…Bergliebe, wie er diesen Aufstieg, trotz der hohen Stufen und unzähligen Tritte bis zum…
…Gipfel bewältigte. Franz Neumüller († 2.1.2016) am Hochstubofen:
Damals bin ich leichteren Fußes gewandert als diese Tage. Mittlerweile bin ich ja reich an Pfunden und Jahren.
Und zum guten Schluss trafen wir noch auf Bergfreunde aus Waidhofen/Ybbs.