Fünf besondere Tiere zählt man in Afrika zu den Big Five. Auch Asien, Australien, Südamerika und Nordamerika haben ihre großen Fünf. Selbst die Psychologie hat ihre eigenen Big Five. Weil ich weder ein Jäger noch ein Psychologe bin und lieber heimatliche Berge besuche, habe ich dieses Big Five Konzept ganz einfach meinen besonderen Bedürfnissen angepasst.
Meine Big Five der Ybbstaler Alpen:
- Kräuterin mit dem Hochstadel (1919 m)
- Ötscher (1893 m)
- Dürrenstein (1878 m)
- Gamsstein mit dem Hochkogel (1774 m)
- Stumpfmauer (1770 m)
- Hochtürnach (1770 m)
- Hochkar (1808 m)
- Gr. Zellerhut (1639 m)
Hoppala, das sind jetzt acht.
Also für mich sind diese acht Berge die Big Five der Ybbstaler Alpen. In Afrika würden nach meiner Meinung auch das Nilpferd, die Giraffe und das Zebra dazugehören. Die wurden einfach nicht berücksichtigt. Ich bin da anders. Ich grenze niemanden nur wegen einer Zahl aus. Ich pfeife auf Obergrenzen. Sozusagen sind der Hochtürnach, das Hochkar und der Gr. Zellerhut das Nilpferd, die Giraffe und das Zebra der Ybbstaler Alpen. Bei mir sind sie dabei.
Und auf allen acht von diesen fünf möchte ich einstmals gewesen sein.
Allerdings bringe ich nicht um, was ich bewundere,…
…sondern bin mehr so ein Gipfelkuschler, ein Gipfelschmuser, ein Bergaficionado, der seinen Eroberungen in liebevoller Freundschaft verbunden bleibt.
Und weil „Der Anfang bereits die Hälfte des Ganzen ist“ (Aristoteles), beginne ich mein Ringen mit der Statistik, mein Abwandern der Liste an einem nebelig-feuchten Septemberfreitag.
Ich höre die Pilze am Straßenrand wachsen, und auf der Nebelleinwand läuft gerade eine…
…Stummfilmversion von Raumschiff Enterprise. Wie von Scotty hergebeamt materealisiert sich unvermittelt bewegungsloses Kuhgetier vor mir.
Der Wetterbericht verspricht für heute Sonnenschein, und auch die Insekten haben bereits eine Vorahnung davon. Darum legen die Spinnentiere schon jetzt ihre Teppiche zum Trocknen vor die Türe oder…
…hängen sie in den Zaun.
Mit jedem meiner Schritte wird der Nebel weniger und die Luft blauer. Die Chancen stehen gut, dass aus diesem Herbsttag noch ein verspäteter Sommertag wird.
Der markierte Weg kürzt einige Forststraßenkehren ab und bringt mich nach ca. 450 Höhenmetern zum ersten Aussichtspunkt auf mein Ziel…
…und den Beginn des kehrenreichen und auch unbarmherzigen Hugo-Zettl-Steigs.
Liaba Hugo Zettl!
Dank’schön fia den guat´n Steig und natürli‘ host du mit dem Steig mir und vün aundern sicha a große Freid‘ g’mocht, und dass i d‘ Natur betrocht`n und ocht`n soi, ois wär’s a grossa Dom, g’foit ma bsonders.
Ein langer steiler Waldanstieg, über feuchte Steine und nasse Äste, zieht in ungezählten Stufen und Kehren hoch.
Weiter oben empfangen mich Sonnenstrahlfanfaren, und es wird warm. Kurzärmelig gehe ich weiter, aber der Rucksack wärmt mir ordentlich den Rücken. Immer alpiner wird die Landschaft.
Links von mir befindet sich steil konturiertes Gelände…
…bis zum splittrigen Gipfelaufbau der Voralm.
Unter mir rekeln sich die gutmütigen Waldhügel der Ybbstaler Alpen – darüber windzerflückte Wolken.
Blick auf Hollenstein und eine Kirche für Winzlinge.
Bis zur „Steinernen Katz“ (Felsformation) sind es ca. 1000 Höhenmeter, und das Gipfelkreuz ist bereits sichtbar. Die „Katz“ hat Augenbrauen wie ein Don-Kosake und sieht mehr wie eine Maus aus.
Von der Nordseite ist der Gipfelaufbau ein riesiger Latschenrücken mit einer Mähne aus Fels.
Nach kurzer Rast wandere ich gut gelaunt weiter. Zuerst über die ausgedehnte Freifläche des Hüttfelds…
…an den letzten zerzausten Wetterfichten vorbei…
…ins Reich der Steine und Latschen. Eine Abzweigung wird angezeigt, denn der Gipfelaufbau kann westlich umgangen werden. Diese Umgehung werde ich für meinen Rückweg vom Tanzboden benutzen.
Ein paar einfache steinige Hürden trennen mich noch vom Gipfelkreuz.
Obligatorisch und unverzichbar: Big Five-Gipfelfoto Stumpfmauer (1770 m).
Mein letzter Besuch der Stumpfmauer liegt schon sehr lange zurück. Mit Waltraud und Reinhard war ich im Frühjahr 2005 hier. Das war eine sehr, sehr lustige Besteigung. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Fotos davon finden sich ganz am Schluss, im Epilog zu dieser Tour.
Hier haben die Steilheit und die damit unvermeidbaren Lawinen für die Ybbstaler Alpen ungewohnte Freizonen geschaffen.
Bereits die nahe Ferne ist in diesiges Licht getaucht, und folglich mache ich nur wenige Fotos. Am Gipfel ist nicht viel Platz. Auch darum findet mein geliebtes Gipfelsitzen nicht hier statt – das habe ich mir für den nächsten Gipfel reserviert. Mein Blick packt gerade noch das Gipfelkreuz des Tanzbodens. Das sieht jetzt unangenehm weit aus, ist aber halb so schlimm. Bis hierher waren es bereits stattliche 1200 Höhenmeter, jetzt kommen noch 200 dazu.
Der Weiterweg führt nicht über die Gratzacken der Stumpfmauer, sondern nebenher. Schuttfels bröselt in den Steig, und der ist unangenehm zu gehen. Der Kopetzky-Steig ist nicht gerade charmant, hat sogar einige Seilsicherungen, bietet aber sonst keine Schwierigkeiten.
Sehr unvermittelt (nur wenige Steigspuren am Fels) zieht die Markierung westlich weg…
…und über diese Scharte…
…durch immer noch felsiges Gelände,…
…bis zu diesem Durchlass (Luckerte Mauer bzw. Lucken)…
… im Fels. Das ist sehr abwechslungsreich und bereitet mir Vergnügen. Hier ist auch schon fast der tiefste Punkt der Überschreitung zum Tanzboden erreicht. Jetzt trennen mich nur noch zweihundert Höhenmeter vom zweiten Gipfel.
Auf diesem Weg überschreite ich den Dreiländerpunkt. Steiermark, Nieder- und Oberösterreich berühren sich hier. Ich wollte darauf achten, aber ich bin abgelenkt. Vor lauter Schauen, Riechen, Hunger und Durst vergesse ich es.
Irgendwo in diesem Bereich wollte die AV-Sektion Waidhofen/Ybbs eine Hütte errichten. „Seit 1898 war das Vorhaben verfolgt worden, auf der Voralpe eine Hütte zu errichten. Ein eigener Baufonds wurde geschaffen und viele Jahre hindurch gespeist. Der Bauplatz stand fest und der Name des Hauses wegen der Lage an der dreifachen Grenze der alten Stamm- und Erbländer Österreichs (NÖ, OÖ, Stmk.) als „Erblandhaus“ bestimmt worden. Dieser von der Sektion energisch vertretenen Absicht war leider wieder kein Erfolg beschieden“ (aus: OEAV, 125 Jahre Sektion Waidhofen an der Ybbs)
Über die grasige Aufstiegsrinne…
…winden sich markierte Steigspuren hoch. Durch eine letzte Latschengasse gelange ich…
…überraschend schnell zum einladend freundlichen…
…Tanzbodengipfel (1727 m). Obligatorisches und unverzichtbares Gipfelfoto.
Auch hier war ich vor gefühlten tausend Jahren schon einmal. Und so lange mache ich solche Oben-ohne-Fotos nicht mehr. Wenn das eigene Fleisch weicher wird, werden auch solche Fotos weniger. Der Stolz des Zwanzigjährigen auf sein festes Fleisch fehlt mir schon lange.
Vom Tanzboden zur Stumpfmauer.
Die Betonsäule markiert, nicht ganz korrekt, das zuvor überschrittene Dreiländereck.
Wolkenschatten am Königsberg.
Blaudiesige Stimmung im Gesäuse. Das Fotografieren kann ich heute vergessen. Um so intensiver wende ich mich meiner Jause zu. Mit jedem meiner letzten Schritte ist der Hunger größer geworden. 1400 Höhenmeter spüre ich nicht nur in den Beinen, sondern machen sich auch im Magen bemerkbar.
Nach einer ausgiebigen Rast mache ich mich an den langen Abstieg. Schon habe ich meine Kappe auf dem Kopf, schon den leichter gewordenen Rucksack wieder am Rücken, schon verabschiede ich mich mit einem letzten Roarrr-Blick vom Gipfel.
Keineswegs darf man zu viel Gipfelschnaps getrunken haben und mit zu viel Schwung absteigen – sonst kommt man nicht wieder durch dieses steinerne Nadelöhr.
Dort, wo der Umgehungsweg abzweigt, steht sogar ein Wegweiser.
Nicht immer ist der Pfad im hohen Gras gut zu erkennen. Noch hoch über der Schneegruben und nicht weit unterm Gipfel führt er mich auf meinen Anstiegsweg zurück.
Der Kreis schließt sich.
Ohne besondere Vorkomnisse erreiche ich wieder das Bauernhaus in der Wenten und mein abgestelltes Fahrzeug.
Die Stumpfmauer ist schon ein mächtiger Gipfel. Von allen Seiten sind die Wege weit und lang. Der Höhenunterschied zum Ybbstal oder in das Ennstal ist annähernd gleich. Darum und wegen seiner Abgelegenheit sieht die Voralm nicht allzu viele Besteiger im Jahreslauf, obwohl ein Besuch so lohnenswert ist.
Im Anstieg ca. 1415 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 14,7 km.
Senf dazu? Sehr gerne!
Darf’s ein bisserl mehr sein?
Weitere Unternehmungen in der Region Ybbstaler Alpen (Auswahl):
- Sonnbergspitzl und Weißes Kreuz
Sonnbergspitzl (900m), Weißes Kreuz (969m) - Alpl am Oisberg (Bauernboden)
Alpl (1405m) - Shortcut: Sonnstein (1019 m)
Steinkogel (910m), Sonnstein (1019m) - Sehnsucht nach den Ybbstaler Bergen: Vogelnestrücken (1216 m)
Vogelnestrücken (1216m) - Tour durch die Schlucht
Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.
Meine Quellen:
Ausschnitt aus Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Version: v 1.0.3 © 2007 Christian Dellwo

Baumgartner (1996): Wanderparadies Voralpen Zwischen Mostviertel und Mariazeller Bergland. Verlag Niederösterreichisches Pressehaus, St. Pölten.
EPILOG
Am 22.5.2005 bestieg ich mit Waltraud und Reinhard bereits einmal die Stumpfmauer.
Wir waren jung (Waltraud und ich) und gut gelaunt (Reinhard).
Es muss sich um einen schneereichen Winter gehandelt haben. Unser Zustieg erfolgte über große Schneefelder.
Damals habe ich ein Foto vom nahen Gamsstein gemacht, das habe ich bei der aktuellen Tour glatt vergessen.
Vom Gipfelaufbau der Rückblick auf das überschrittene Hüttfeld.
Das müsste die selten benannte Langmauer sein. Sie ist die nordwestliche Begrenzung der Schneegrube.
Über diesen Gratrücken führt der markierte Steig zur Stumpfmauer.
Nicht ganz so spitz wie eine Kirchturmspitze…
…ist der Gipfel.
Auch 2005 sind wir weiter zum Tanzboden gewandert. Rückblick aufs Stumpfmauergipfelkreuz.
Am Tanzboden liegt noch einiges an Schnee.
Über das große Schneefeld in der Bildmitte führt uns der Weg.
Blick zurück zur stumpfgrauen Stumpfmauer.
Sonnig ist es am Tanzboden…
…und in unseren Herzen.
Landschaftsmeditation einmal so…
…und einmal so.
Beim Anblick dieser Bilder…
…bin ich fast versucht, diese Wanderung der unbeschwerten Jugendzeit zuzurechnen.
Tanzbodengipfel: „Der Name bezieht sich wohl mit ziemlicher Sicherheit auf den Balzplatz des [orangen] Birkhahns“ (Hilde und Willi Senft).
Danke Waltraud, danke Reinhard.
FIN