Wanderung mit hoher Belohnungsdichte: Hohe Zölz, auch Obere Zelz (1897 m) genannt.

Meine ersten Begegnungen mit den Eisenerzer Alpen haben eine bemerkenswerte Prägekraft entwickelt und so ist mir dieser kleine Gebirgszug einer der allerliebsten. Jede Wanderung auf die Grate und Gipfel dieser grünen Landschaft ist etwas ganz Besonderes für mich, und gerne erzähle ich davon.

Die Parkmöglichkeiten bei der Hirnalm erfuhren eine gehörige Erweiterung und es werden, das ist heute auch nicht mehr selbstverständlich, keine Parkgebühren verlangt. Am Bild ist unser eingetauschtes Auto zu sehen, es ist jetzt nicht mehr felswandgrau, sondern weiß, wie ein riesiges Spinnenei, oder doch oft staubgrau, wie Rucio, der Esel Sancho Panzas.

Weil ich mit meinem Wamst der mittleren Jahre immer mehr zum Sacho Panza der steirischen Berge werde, will auch ich mein Grauohr liebevoll Rucio nennen.

Von Picasso stammt meine liebste Darstellung Don Quijotes und Sancho Panzas.

Und weil ich an die Beseeltheit vermeintlich unbelebter Dinge glaube, fiel mir der Treuebruch und Abschied von meinem langjährigen felswandgrauen Begleiter sehr schwer. Seine bedingungslose Treue und stoische Gelassenheit in allen Lebenslagen waren mir in vielen Situationen ein unschätzbarer Rückhalt. Mit ihm war ich unterwegs und doch irgendwie daheim.

„Mit der klaren Luft die über den blauen Höhen zittert möchte ich Freund sein, und mit der blinkenden Sonne, und den schönen Sternen, denn mir scheint oft, als ob die leblosen Dinge mit den lebenden fühlten und litten.“
(Selma Lagerlöf „Die Saga von Gösta Berling“)

Jetzt ist Schluss mit diesem langen Intro, und wir beginnen unsere Wanderung. Unter dem Sommermorgenhimmel wärmt sich die Hirnalm erst einmal auf und…

…uns geht es nicht anders. Wir wandern nicht im Schatten, sondern nutzen jedes Sonnenbröckchen, das wir erwischen können.

Hier folgen wir dem Gebot dieser „Forststraßenwegschicktafel“ und betreten einen feinen Steig.

Schon nach kurzer Zeit haben wir den ersten Blick auf die Einsattelung, unser erstes Ziel.

Der Steig steigt an (daher wohl auch sein Name) und führt einmal zum Krumpenbach hin und danach wieder fort und anschließend wieder zu ihm hin. Ein paarmal geht das…

…so hin und her, bis endlich der…

…finale Anstieg beginnt und wir…

…die grünen Hochflächen der sich weit ausbreitenden Krumpenalm erreichen. Wenige Meter neben dem markierten Pfad befindet sich der Ursprung des Krumpenbaches.

Überall um Gabriele klares Wasser, das direkt unter unseren Füßen, unterhalb von Grasnarben austritt und über bemooste Steine in die Tiefe plätschert.

Fasziniert sehen wir in diesem phantastischen Kreissaal einem Bach beim Geborenwerden zu.

Wir wandern unterhalb der Krumpalm in Richtung des Krumpensees weiter. Ist der Halter auf der Alm, gibt es dort Getränke.

Es geht an Kühen vorbei, die recht gemütsam und freundlich wirken.

Wir gelangen zum See. Tief eingebettet in diese einzigartige Landschaft…

…strahlt er eine uterusartige Behaglichkeit aus.

Mit forwährenden Observierungstätigkeiten emsig beschäftige Murmeltiere tummeln sich zwischen den Steinen links von uns. Und im See…

…hausen kleine seltene Wasserdrachen. Die Alpen-Kammmolche (Triturus carnifex) sind hier noch zu finden. Uns gelang es an diesem Tag leider nicht, welche auszumachen.

Weibchen mit gelber Kammlinie. Von Böhringer Friedrich – Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5,

Weil schon allein der See ein herrliches Wanderziel ist, finden sich jetzt ein paar Wanderer ein. Wir allerdings verweilen nicht lange und wandern zum Seeabzweiger zurück.

Wäre ich nicht schon einmal auf der Zölz gewesen, könnte mich dieser Anblick verunsichern. Durch den linken Bildteil führt der unmarkierte Pfad hoch. Es gilt nur seinen Anfang zu finden.

Von der Seeabzweigung wandern wir zirka 140 Meter weiter am markierten Weg Richtung Krumpenhals.

Zur besseren Orientierung verwende ich dieses Foto. Das habe ich bei unserer Eisenerzer Reichenstein Wanderung gemacht. Den Steigbeginn habe ich beschriftet – einfach ins Foto klicken.

Ich ernenne Gabriele zur Vorstiegssklavin durch diese nur scheinbar bis zur Undurchdringlichkeit verwachsenen Landschaft.

Grünzeug, solches und solches häuft sich, verdichtet sich miteinander und gewinnt zusehends an Höhe.

Wie mit einem Zirkel gerundet liegt der Grübelsee unter uns.

Wir durchschreiten eine pflanzliche Parallelwelt.

Durchs dichte verschlungene Gewächs verunklarter Bodenblick…

…erkennbar nur grün: Blättergrün, Stengelgrün und Astgrün.

Wir erreichen das völlig verwachsene Plateau unter einem mit sommerblau gefüllten Himmel.

Man könnte meinen, die Natur ist ein fauler Gärtner.

Schön langsam wird es anstrengend für mich. Ich trainiere meinen Körper zur Zeit nicht, ich bewohne ihn bloß. Und tatsächlich treffe ich an diesem Tag eine Modifizierungsentscheidung. Dazu in einem späteren Blogeintrag mehr.

Im Mai 2010 habe ich die Hohe Zölz schon einmal besucht. Schneereste gab es überall und auch Fellreste. Denn in diesem Bereich kam es zu einer überraschenden Begegnung.

(Fotos finden sich im Anhang zu diesem Blogeintrag).

24.5.2010

24.05.2010

Heute finden sich keine Fellreste und leider auch keine Steinböcke. Jedoch finden sich gut sichtbare Pfadspuren, die man aber nicht unbedingt benötigt um auf den Gipfel zu finden.

Wir umwandern die letzte Latscheninsel vorm Gipfel und am…

…Felsgrat wartet ein Vogel auf seinen Wunschwind. Mit seinem zwischenzeitlichen Gezwitscher meint er uns. Aus seiner kleinen Kehle tönt es in der Bergesstille wie Dolby Surround: „haltet euch von meinem Nest fern, ihr tollpatschigen Hochstolperer“ teilt er uns unmissverständlich mit. Das wiederholt er so lange, bis der Wunschwind endlich da ist.

Wir erreichen den lichtumzingelten Gipfel. Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Hohe Zölz (1897 m).

Wir nisten uns auf dem Gipfel ein und beginnen das wohlverdiente Gipfellungern. Stets im Blick der höchste Gipfel der Eisenerzer Alpen: Das Gößeck (2214 m).

Die einzige Bewegung, die jetzt noch stattfindet, ist das gelegentliche Umlagern eines Körperteiles von einer Ruheposition in eine andere. Und bei Gabi ist es das gelegentliche Handheben – sie grüßt jeden vorbeikommenden Segelflieger…

Ich blicke mich um und das Herz geht mir wieder einmal auf. So viele Felsen und grüne Grate, weil sich die Eisenerzer Alpen für ein spannendes Dazwischen entschieden haben. Das kommt meiner Mittelwegsvernunft sehr entgegen.

Die Rauchkoppe (1836 m) zeichnet jedoch eine gewisse Bockigkeit aus.

Auch die Beschreitung der freundlichen Grate und Besteigung der anderen Gipfel sollte immer gut geplant werden. Über den Grat auf den nächsten Fotos meint Siegbald S. Zeller  in seinem Buch „Bergerleben Eisenerzer Alpen, Hochschwab“: „Über diesen Grat führt eine der landschaftlich schönsten Gratüberschreitungen der Steiermark. Der Theklasteig. Er wurde bereits im Jahre 1900 errichtet und verläuft über den langen Gipfelkamm vom Eisenerzer Reichenstein zum Wildfeld (…)“

Mittlerweile ist der Theklasteig ein Teil der Reichenstein – Reichenstein Überschreitung. Also vom Eisenerzer Reichenstein zum Admonter Reichenstein. Viele Kilometer und viele Höhenmeter, und nur wenige schaffen diese Tour an einem Tag.

Von Karl Lerchbaum gibt es auf alpen-panoramen.de dieses beschriftet Panorama. Einfach ins Bild klicken:

Karl Lerchbaum auf alpen-panoramen.de

Blick zum Krumpenhals (1700 m) und die aufregende Wegführung in Richtung Reichhals. Man könnte auch vom Krumpenhals in leichter Felskletterei den unschwierigen Grat zur Zölz hochkletterwandern.

Und in die andere Richtung: Würden wir die Zölz überschreiten wollen, müssten wir über diese Felsentürme und Türmchen zum Gosingeck (1642 m) absteigen. Liselotte Buchenauer meint dazu: „Auch die „Wilde Kirche“, eine Felsgruppe südlich des Reichensteins, ist leicht erklärlich, die Einheimischen benannten solche Felsgebilde gerne „Kirche“ und fanden an anderen Orten auch noch seltsamere Zusammensetzungen, wie etwas Heidnische Kirche, Hundskirche, oder sogar Teufelskirche!“

Ein Bild im AV-Führer Eisenerzer Alpen hat mich bei der Tourvorbereitung kurz verwirrt. Denn hier ist dem Fritz Peterka ein Bild- Beschriftungs-Hoppala passiert:´

Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schnell so ein Bildbeschriftungsfehler passieren kann, habe ich jetzt kein Problem damit und ersuche zugleich die Leser dieses Blogs um Hinweise auf von mir mangelhaft oder falsch beschriftete Bilder. Es gibt sie, ganz bestimmt.

Und weil es hier gerade gut passt, Fotos von anderen Standorten auf die Hohe Zölz:

Vom Eisenerzer Reichenstein auf den Krumphals und die Zölz.

Tourenbericht: Eisenerzer Reichenstein

Vom Grete-Klinger-Steig auf die Zölz.

Tourenbericht: Gute Zeit am Grete-Klinger-Steig.

Vom Gößeck fotografiert auf die Zölz fotografiert.

Davon gibt es leider keinen Tourenbericht.

Von der Rauchkoppe auf die Zölz fotografiert.

Tourenbericht: In leichter Kletterei zur Rauchkoppe.

Alpinliterarisch war dieses Gebiet lange völlig vernachlässigt. Erst 1978 erschien im Styria Verlag ein schmaler Führer zu den Eisenerzer Alpen. Noch vor dem oben erwähnten AV-Führer (1982). Hermann Scharfetter hat ihn begonnen und Liselotte Buchenauer hat ihn nach dem überraschenden Tod von Scharfetter vollendet. (Scharfetter stürzte 1976 in eine Gletscherspalte im Berninagebiet.) Bei meiner Beschäftigung mit diesem ersten Führerwerk tauchten Gipfel- und Ortsbezeichnungen auf, die in den aktuellen Kartenwerken einfach nicht zu finden waren. Offenbar kam es bei der Einführung der BEV 50.000er Karte zu Umbenennung jahrzehntelang vertrauter Namen. Zum Beispiel wurde aus der „Wilde Kirche“ das Gosingeck (Buchenauer). Aber wo oder wer ist der „Kitzstein“ jetzt?  Das ließ mir keine Ruhe. Meine Facebook Anfrage beim Alpenverein Leoben wurde schnell und kompetent beantwortet: Servus Peter, meines Wissens gibt es den Kitzstein nicht mehr, da mehrere Namen geändert wurden. Kitzstein ist jetzt der Hüttstein, ein Uraltfoto anbei. Liebe Grüße aus Leoben“

Damit hatte ich jetzt meine Freude, und weil mir antiquarisches Recherchieren ebenfalls großen Spaß macht, suchte ich dann noch eine Karte von vor 1900. Gefunden und gekauft habe ich diese Karte von 1880: Leoben und Bruck a.d.Mur Zone 16. Col XII. Maßstab 1:75000. Auf diesem Kartenausschnitt findet man jetzt die „Wilde Kirche“ den „Kitzstein“ und vieles mehr.

Bestimmt teilen nicht Viele meine Freude an den alten, heute nicht zu gebrauchenden Informationen und darum geht’s jetzt mit dem Tourenfinale weiter.

Westlich am Eisenerzer Reichenstein vorbeigezoomt, geht der Blick in den Hochschwab und im Vordergrund erschließt sich mir erst in diesem Zoom, warum das Grübl so geheißen wird. Als hätte ein Meteor in die Bergflanke eingeschlagen.

Und östlich, über die Vordernberger Mauer darübergezoomt, zum Thalerkogel (1655 m).

Geteilt wurde heute nur die Jause und nicht der Gipfel. Erst im Abstieg begegnen uns drei junge Wanderer. Der kurze dschungelartige Anstieg dichtet diesen Gipfel vermutlich gut ab.

Diese rauh-süße Wanderung ist jedoch jeden Schritt wert…

…und ein landschaftliches Großkaliber.

Auch wenn es die Botanik gelegentlich…

…ein wenig übertreibt, sind diese Nebenumstände ungewohnt und abwechslungsreich.

Wieder am markierten Weg bei der Krumpenalm zurück, entscheiden wir uns, gleich zur Hirnalm abzusteigen und uns erst dort zu Entdursten. Ganz gegen Ulrichs Meinung im Mann ohne Eigenschaften, der ja behauptet:  „…elementar sei neben Essen und Liebe die Bequemlichkeit, aber nicht das Aufsuchen einer Alm.“ Wir sehen das anders und werden auf der Hirnalm auf das Allerköstlichste verwöhnt. Ja nicht ohne dortige Einkehr heimfahren.

Im Anstieg etwa 975 Hm und zurückgelegte Entfernung nahezu 12 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Eisenerzer Alpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.

Meine Quellen:

Grünzeug, solches und solches häuft sich, verdichtete miteinander und gewinnt zusehends an Höhe. (ein abgewandeltes Peter Handke Zitat).

Zeller (2006): BergErleben Bd. 2, Eisenerzer Alpen, Hochschwab West. Verlag Gertraud Reisinger, Spielberg.

Peterka (1982): Eisenerzer Alpen. AV Führer, Bergverlag Rother, München.

Scharfetter/Buchenauer (1978): Eisenerzer Alpen, Bergwandern, Klettern, Schifahren. Verlag Styria, Graz.

Buchenauer (1976): Bergwandern in der Steiermark. Tyrolia Verlag, Innsbruck.

Am 24.5.2010 habe ich die Hohe Zölz schon einmal besucht:

Wolkenwabern und morgendliche Kälte begrüßten mich auf der Hirnalm.

Die Schnee- und Windbrüche waren noch nicht alle aufgearbeitet.

Viel Schmelzwasser war im Krumpenbach.

Auf der Krumpalm begannen sich die Nebelreste zu heben.

Schneezungen speisten den Krumpensee.

Die Landschaft ist noch wintermüde.

Im Anstieg zum Zölzgipfel eine unerwartete Begegnung.

Sie weichen mir aus und fressen dabei ständig weiter.

Im Abstieg beginnen die „Quellen“ des Krumpenbaches im Sonnenlicht zu glitzern.

FIN