Alles ist immer nur einmal: Jahresgipfel Thürndl (2023 m)

Das mit dem Jahresgipfel ist so eine Sache. Diesmal ist es einfach und schwierig zu gleich. Es bieten sich mehrere Gipfelerlebnismöglichkeiten mit der Endzahl 2023 an. Auf zweien davon war ich jedoch schon: am Großen Grießstein im Hochschwab und am Kleinen Pyhrgas in den Haller Mauern. Zur Auswahl verbleiben mir: der Kollerriegel nördlich von Donnersbachwald oder das Thürndl in den Nockbergen, ein Nebengipfel des Mirnocks. 

Die Entscheidung wird von einem Schönwetterfenster und Gabriele getroffen. Wir fahren in unser geliebtes Bad Kleinkirchheim. Dort beziehen wir unser Quartier…

…und schon am nächsten Morgen wollen wir das Thürndl zuerst suchen und danach besteigen.

Fast zehn Kilometer braucht die nicht asphaltierte, aber gut befahrbare Mautstraße vom Südufer des Afritzsees bis zum kleinen Parkplatz bei der (unbewirtschafteten) Wieserhütte. Vor einem Schrankenautomaten muss man die Maut noch in Münzen (€ 5,–) entrichten.

Der Markierung gemäß folgen wir zuerst einem Zaun…

…und danach…

…dem Bach, dem Ufer entlang, dem Wasser mal näher mal ferner.

Umschlossen von den nie groben, nie angeberischen Nockbergen um uns.

Aus der Entfernung könnte man meinen, Einhörner zu sehen:

Sie entzaubern aber diesen ersten Eindruck: es gibt kein untätiges Kiefer, sie strullern und sie muhen.

Nur noch das schmale Band eines waldigen Zwielichtgebietes trennt uns…

…von der Weite der Wieseralm.

Ein feiner Pfad bringt uns hinauf zum Höhenrücken.

Das dort drüben ist bereits die höchste Erhebung und der Hauptgipfel: Der Mirnock (2110 m). Den werden wir auf unserem Weg zum Jahresgipfel noch betreten.

Warum unser erster Gipfel, bereits ganz nah, Rindernock heißt, werde ich noch recherchieren und herausfinden. So bald ich Näheres weiß, ergänze ich diesen Eintrag.

Oben, am Höhenrücken, sieht es so aus. Das ist jetzt ein wenig kitschig. Zuerst wandern wir an Einhörnern vorbei und jetzt durch ein Tourismusprospekt – nur dass es diesen Anblick, ganz ohne Photoshop, wirklich gibt.

Am Rande des Gewässers kauert mit eingeklappten Beinchen ein zitterndes Kälbchen, ohne Ohrmarken ohne Mutterkuh, noch mit Nabelschnur. Bestimmt ist es nur wenige Tage oder gar wenige Stunden alt. Es kommt schon vor, dass Mutterkühe während des Sommers auf der Alm kalben. Meist sucht sich die Kuh für die Geburt einen ruhigen Platz abseits der Herde. Ganz ideal scheint mir dieser hier nicht zu sein.

Gabriele nähert sich vorsichtig, um die Verfassung des Kalbes besser einschätzen zu können. Es ist Menschen nicht gewohnt, hievt sich auf zittrigen Beinchen hoch und verharrt dabei stehend wankend und drastisch schlotternd. Voller Erbarmen zieht sich Gabriele sogleich zurück, und ich verständige die Halter auf der Hochalmhütte über unseren bibbernden Fund.

Anschließend verlassen wir das blaue Wasserauge und steigen die wenigen Meter zum Gipfel hoch.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Rindernock (2024 m). Der hätte auch im nächsten Jahr ein Jahresgipfel sein können.

Obwohl wir nur Stimmschlieren vernehmen, haben wir rasch Gewissheit, dass gleich Niederländer ebenfalls am Gipfel ankommen werden. In Steilheiten zwar ungeübt, jedoch bestens gelaunt, erreicht eine vierköpfige Familie den Rindernock.

Wir steigen wenige Meter ab und besuchen noch den nahegelegenen Lierzberger Alpenspitz.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Lierzberger Alpenspitz (2018 m).

Über diesen herrlichen Rücken könnte man zum Lahnernock (1861 m) und Palnock (1901 m) weiterwandern.

Irgendwo rund um den Lierzberger Alpenspitz habe ich dieses Foto aufgenommen, das kann auch einige Meter davor gewesen sein oder ein paar Meter weiter oder exakt am Gipfel – das weiß ich wenige Wochen danach schon nicht mehr so genau. Zu sehen ist die Wieseralm und unser abgestelltes Auto.

Warum das jetzt so erwähnenswert ist? Weil anhand eines (un)möglichen Talblickes der „Beweis“ geführt wurde, dass Reinhold Messner nicht den Gipfel der Annapurna erreicht haben soll und somit auch nicht als erster Mensch auf allen vierzehn Achttausendern gestanden ist. Ausschlaggebend ist für den deutschen Berg-Chronisten Eberhard Jurgalski, dass im Besteigungsbericht erwähnt wurde, Blick auf das Basislager gehabt zu haben. Und das sei falsch, weil man vom „richtigen“ Gipfel das Basislager nicht sehen kann. Angeblich stand Messner auf dem langen Gipfelgrat, 65 Meter und fünf Höhenmeter entfernt vom Gipfel. Die Bergsteiger-Emotions-Wogen stiegen darauf hin höher als jeder 8000er. Mittlerweile ist die See fast wieder spiegelglatt:

Weil ich mir immer so lange mit der Tourenbeschreibung Zeit lasse, regeln sich manche Dinge ganz von selbst. Jurgalski ist argumentativ etwas schlagseitig zurückgerudert. Mehr dazu und einen guten Überblick in dieser Angelegenheit findet sich auf der Homepage von Alpin: Jurgalski zur 8000er-Debatte: „Niemals die Absicht, Geschichte neu zu schreiben!“ und in einem Artikel der NZZ: War er oben? und wo ist oben?

Wir wandern wieder zurück zur Rinderlacke und mit viel Aussicht weiter in Richtung Mirnock.

In dieser Herde muss sich die Kalbsmutter befinden. Hoffentlich vergisst sie ihr zitterndes Häuflein Elend nicht.

Dieses Steinmonument am Weg gehört zum „Weg des Buches“.

Sehr bald befinden wir uns unterhalb des Mirnocks. Jedoch werden wir kurz von dieser…

….dem Gipfel vorgelagerten Steinanhäufung abgelenkt und wenige Meter vom Pfad weggezogen.

Und die wenigen Meter schenken uns diesen herrlichen Tiefblick…

…auf den Millstätter See.

Erst aus der Flughöhe der Adler sind die engen Räume der Menschen, wie auch die Weiten der Kontinente, erkennbar. (Friedrich Hölderlin)

Grautonige, nicht ganz scharf umrissene Shilouetten der hohen Berge im Nordwesten. Ist das jetzt die Hochalmspitze (3360 m)? Sicher bin ich mir da nicht.

Erst nach einer langen Weile haben wir uns sattgesehen.

Es gibt mehrere Zustiegsmöglichkeiten auf den Mirnock, und jetzt, ganz nah beim Gipfel, treffen wir auf viele andere Wanderer.

Jedenfalls heute ist er ein gut besuchter, zugkräftiger Berg.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Mirnock (2110 m).

Rund um uns raschelt, gluckert und knuspert es: Alles, was für gipfelgerecht befunden worden war, wird rund um uns aus den Jausendosen und Jausensackerln gefischt.

Friedfertige und zufriedene Menschen blicken auf eine gutmütige, sanfte Landschaft. Allein dieser Anblick war die Mühe schon wert.

Diese harmonische, ungewaltsame, idyllische Landschaft durchwandern wir am östlichen Rand, weil sich unser Jahresgipfel irgendwo hier „erhebt“.

Das fühlt sich jetzt an, wie eine Wanderung auf einer Biobutterverpackung.

Wir zweigen vom markierten Weg ab und können das Thürndl bereits sehen, ohne dass wir wissen, dass es das Thürndl ist.

Obligatorisch und unverzichtbar: Jahresgipfel Thürndl (2023 m). In alten Karten auch noch als Dirndl bezeichnet zu finden.

Das Gipfelkreuz ist ein paar Meter tiefer gerutscht – damit es von der Hochalmhütte gesehen werden kann.

Am Rückweg zum markierten Steig ergibt sich dieser Blick auf den Mirnock und die durchwanderte Landschaft.

Wieder am Weg,…

…schon mit Tiefblick auf die Hochalm…

…und Rückblick aufs Thürndl.

Und dann wird uns noch ein magischer Moment zuteil: Die bereits leicht angeherbstelten Blätter tauchen den Berg im Nachmittagslicht für wenige Minuten in ein rötlich warmes Licht. Man kann das „Gipfelkreuz“ links der Bildmitte und darüber das Thürndl gut erkennen.

Zur Hochalm geht es steil hinunter.

Diese Wanderung ist auch eine klare Herbstempfehlung. Wie toll muss es hier mit den entzündeten Lärchen und angeflammten Heidelbeerbüschen aussehen?

Die Einkehr auf der Hochalm tut uns gut, und den längeren Aufenthalt erzwingen unsere abstiegsunwilligen Füße, und… 

…eine heimgehunwillige Gabi.

Aber irgendwann ist es dann doch Zeit,…

…die wunderbare Alm zu verlassen.

Wir durchwandern die steilen Waldfluchten auf einem fordernden Steiglein (man darf die Almrast mit den konsumierten Getränken nicht außer acht lassen)…

…zurück zur Wieseralm. 

Für einen kurzen Moment stehlen wir dem Bach seine gebirgige Reinheit. Wir kühlen unsere Gesichter und säubern unsere Hände und Schuhe.

Den nächsten Tag verbringen wir am Millstätter See. Es könnte nicht besser sein: Ein Mietschirm, zwei Liegen, ein gutes Buch  u n d  kein Jahresgipfel 2023 mehr in der Gipfelvorratsdose.

Im Anstieg etwa 678 Hm und zurückgelegte Entfernung nahezu 10,5 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Nockberge (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.

 

Neues Handbuch Alp (2012): Neues Handbuch Alp. Handfestes für Alpleute, Erstaunliches für Zaungäste. Zalpverlag, Mollis.

 

Buchenauer (1977): Sanfte Kuppen, Schroffe Berge. Leykam Verlag, Graz.

Buchenauer/Gallin (1976): Kärntner Wanderbuch. Tyrolia Verlag, Innsbruck.

 

Buck (1997): Die Nockberge Natur und Kultur. Verlag Carinthia.

 

Lehofer (2003): Nockberge, Nationalpark und Gurktaler Alpen. Wanderführer, Bergverlag Rother, München.

Lehofer (2007): Kärnten: Wanderungen rund um die Kärntner Seen. Wanderführer, Bergverlag Rother, München.

Mein elsterhaftes Verhalten hat mich diesmal ins Nest von Ned Beaumann geführt:

„Wanderung auf einer Biobutterverpackung“ habe ich mir aus seinem Buch „Der gemeine Lumpfisch“ ausgeborgt.

Wo ich sonst noch ausgeborgt habe, weiß ich beim besten Willen nicht mehr. Sorry.

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