Palastwächter am Gesäuseeingang: Himbeerstein (1222 m)

Dieser Blick auf den Gesäuseeingang zählt zu den drei häufigst gemalten und fotografierten Motiven des Gesäuses. Der Admonter Reichenstein (2251 m) und die Planspitze (2117 m) sind die beiden anderen Malerlieblinge. Mein Interesse gilt jedoch diesen beiden links und rechts platzierten „Palastwächtern“ des Gesäusepalastes. Die schmoren schon lange in meiner Gipfelvorratsdose. Den Anfang finde ich mit dem nördlich gelegenen, niedrigeren Himbeerstein (1222 m), früher auch Gseysstein benannt, und drei Wochen später werde ich die Besteigung der kratzbürstigeren Haindlmauer (1435 m) folgen lassen.

Im Vergleich zu den hoch in den Himmel gestapelten Gipfeln und Felsen rundum sind die beiden waldbestandenen Bergsockel – ohne darüber aufragende Felsen – bereits der ganze Berg.

Schon bei meiner Wanderung auf die Planspitze habe ich dieses Vorhaben bedacht und so getextet: „In Tolkiens „Herr der Ringe“ heißen die Wächter Elendil und Isildur,…

…und am Gesäuseeingang wachen Haindlmauer (1435 m) und Himbeerstein (1222 m).“

Im Aufstieg zur Planspitze: Gesäuseeingang

Heute jedoch, am frühen Morgen, ist von den Wächtern zu beiden Seiten der Enns nichts zu sehen.

Meinen felswandgrauen Vauwe parke ich…

…gut vierhundert Meter vor der Lauferbauerbrücke am Parkplatz Schwaighof.

Das Gedämpfte der Morgenstimmung gefällt mir,…

…aber verliert sich bald. Was nun folgt, gefällt mir mindestens genauso.

Am Erinnerungskreuz für Dr. Wirtz vorbei („Seid mir gegrüßt, meine Berge, Wiesen und Wälder, lebe wohl mein lieber Lauferwald“.) schmiegt sich die Forststraße…

…ganz eng an die Felsen der darüber aufragenden Hausmauer.

Wo keine Bäume im Weg sind, gibt es herrliche Weitsicht.

Gleich nach diesem Brückerl in der Linkskurve gab’s zu früheren Zeiten…

…ein unscheinbares Weglein diesen Hang hinauf. Nicht einmal mehr Trittspuren existieren. Trotzdem steige ich hoch, weil ich den langen Forststraßenumweg erst im Abstieg gehen will.

Allein weiter oben finde ich Wegreste, aber davon auch nicht mehr viele. Diese Wegfragmente helfen mir nicht wirklich weiter. Ein wüstes Baumgemurks lässt zwingt mich meine ganz eigene Spur wählen.

Erst kurz vor der kleinen Wiese und der von mir abgekürzten Forststraße…

…normalisiert sich die Geh-Lage. Jetzt wandere ich auf der Forststraße weiter, zuerst sogar leicht bergab und dann wieder bergauf.

In einer starken Linkskurve habe ich diesen herrlichen Talblick in den Westen…

…und auf den felsgrau in den Himmel gestapelten Buchstein (2224 m)

In der BEV-Karte verzeichnete Wegspuren müssten hier irgendwo ihren Anfang nehmen und von der Forststraße ins Gelände abzweigen.

In der naturalen Wirklichkeit gibt es diese Spuren nicht mehr.

Schlimm schaut es in diesem Wald aus. Mühsamst, durch störrisches Unterholz pflügend, das immer mehr zu dichtem Oberholz wird, steige ich hoch. Ich fürchte, dass ich mich für die undankbarste Aufstiegsvariante entschieden habe. Hundert oder zweihundert Meter weiter östlich oder südlich wäre es vermutlich nicht so böse.

Immer wieder treffe ich auf Querulantenbäume am Boden und muss sie mühsam übersteigen oder umwandern. Die nicht aufgearbeiteten Schneedruckschäden haben einen beachtlichen Umfang.

Erholung finde ich nur in kurzen steinigen Abschnitten, bis…

…ich wieder in irgendeiner Verstrauchung lande.

Dann, endlich verflacht der Anstieg, blau-weiße Himmelsflecken grundieren den Waldhintergrund und ich bin am Rücken des Wächters.

Hier findet sich ein zarter Pfad und der Beginn des schönsten Abschnitts in meiner Annäherung an den Gipfel.

Ich folge jetzt der Abbruchkante,…

…wie dem duftenden Faden eines exklusiven Parfüms.

In meine Nase steigt der Geruch, der schon immer für mich ein Synonym für Glück gewesen ist:…

…der wohlig modrige stumpfe Geruch von Laub, Holz und Moosen,…

…von angewärmten Steinen und im Trocknen aufduftenden Fichtennadeln.

Der Blick in die Tiefe verstärkt die Sinneseindrücke nur noch mehr.

Überraschend bald erreiche ich den höchsten Punkt. Obligatorisch und unverzichtbar, Gipfelfoto Himbeerstein (1222 m). Das hölzerne Triangulationszeichen gibt es nicht mehr.

Bist heute weiß ich nicht, ob es sich bei diesem Büchlein im Glas um einen Geocache oder ein Gipfelbuch handelt. Für mein Verständnis erfüllt es beide Funktionen recht passabel.

Ich gönne mir noch einen Blick in den Westen…

…und freu‘ mich, dass ich viele der Berge, die sich vor mir auftun, schon besucht habe. Ein Blick auf den so nahen Buchstein (2224 m) wird mir von Gebüsch und Gebäum nicht gegönnt.

Anschließend suche ich mir in der Nähe des improvisierten Gipfelkreuzes…

…einen warmschönaussichtsreichen Ruheplatz mit Blick auf den Gesäuseeingang,…

…den Admonter Reichenstein (2251 m), die Haindlmauer (1435 m)…

…und die Hochtorgruppe (2369 m)…

…und ein Teil der Eisenerzer Alpen.

Ich kann fast zusehen, wie das Frühjahrslicht, das nach seiner langen Reise durch den Kosmos noch nicht müde ist, an den Ästen der Bäume über mir und sogar…

…unter mir, ein kunstvoll grünes schnörkelreiches Blätterdach zu weben beginnt.

Das beständige Rauschen der Enns, das dem Gesäuse den Namen gibt, ist bis zum Gipfel vernehmbar. Unter mir befindet sich die Bootseinstiegsstelle Gofergraben. Dort unten siehts…

…dann so aus:

Otto Ampferer schreibt in seinem 1935 erschienenen „Geologischer Führer für die  Gesäuseberge“ Folgendes:

„Zwischen dem breiten Becken von Admont und der Enge von Hieflau verläuft diese etwa 15 km lange Schlucht in ziemlich gerader ostwestlicher Richtung. Es ist eine der großartigsten Schluchten der nördlichen Kalkalpen, welche heute durch Eisenbahn und Straße auf das bequemste zugänglich ist. Den richtigen Eindruck von der Größe und Gewalt dieses Raumes erhält allerdings nur der Fußwanderer, der das Gesäuse zur Zeit eines Hochwassers begeht. Hier erfüllt dann die Stimme der Enns das Tal mit ihrem gewaltigen Brausen und Rollen, daß die Felswände zittern. Es ist die Stimme des Herrn, welcher diesen mächtigen Raum geschaffen hat und in ihm nach seinem Gutdünken waltet und schaltet. Staunend erkennt man die riesigen Kräfte, die unermüdlichen, schaumgekrönten Fäuste, welche die schweren Blöcke aus ihren Angeln heben und gegeneinander schmettern. Es wird uns klar, daß nicht die kleine bescheidene Enns der Niederwasserzeit, sondern jene der Hochwasserzeit hier die Hauptarbeit geleistet hat.“ 

Und so siehts aus, wenn man dort unten steht und den Kopf hebt: Dann blickt man auf den Himbeerstein, und adleraugige Menschen können auf meinen jetztigen Sitzplatz sehen.

Selbst ein so schönes, aussichtsreiches, einsames Gipfelplatzerl muss auch einmal verlassen werden.

Der Haindlmauer rufe ich noch ein „bald schon bin ich auch bei dir“ zu, und mache mich auf den Rückweg.

Dabei bleibe ich länger am Grat, weil ich bis zum Dürrnkogel (1034 m) wandern- und mir erst dort den Abstieg zur Forststraße suchen will. Am Weg dorthin überschreite ich, ohne ein eigenes Gipfelfoto zu machen, den Stiegenkogel (1195 m). Weil es sich am Rücken so gut wandern lässt, habe ich das einfach übersehen. Vom Gipfel des Himbeersteins sind es ca. 250 Meter am Grat bis zum Stiegenkogel.

Sogar auf den Buchstein kann ich einmal unbeastet blicken.

Drei steilere Abschnitte sind einfach abzusteigen und würden auch im Aufstieg bestimmt keine Probleme machen. Pfadspuren sind auch vorhanden.

Die dritte Steilstufe ist die unangenehmere, aber ein echtes Problem ist auch sie nicht.

Und ohne Schwierigkeiten erreiche ich den nächsten Gipfel.

Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Dürrnkogel (1034 m), in alten Karten wird er auch Geierkogel benannt. Hingeduckt fotografiere ich mich mit Selbstauslöser, und der Mangel eines Zwecks solch einer Besteigung ist auf diesem Foto gut erkennbar.

Hier beginne ich ziemlich umweglos den Abstieg zur Forststraße.

Diese Begegnung im Baumhalbschatten wird die einzige an diesem Tag bleiben.

Ich bin wieder auf der Forststraße und überlege mir, ob nicht der steile Aufstieg über diesen gerodeten, steindurchsetzten Abhang der bessere Weg gewesen wäre.

Ein wenig verwirrend ist der Rückweg auf der Forststraße. Obwohl ich mich im Abstieg befinde, geht’s bergauf. Gut hundert Höhenmeter steigt die Forststraße an. Vielleicht ist das auch der Umstand, der für einen Wanderer aus dem Lauferwald einen Verlauferwald machen wird. Am 21. Juli kommt es zu einem großen Sucheinsatz  (Hubschrauber Libelle, 13 Admonter Bergretter und die Suchhundestaffel):

„Ein Wanderer hat um 14:30 Uhr den Notruf gewählt, da er sich im Gelände verirrt hatte. Aufgrund mangelhafter Tourenplanung kannte er seinen aktuellen Standort und auch den Startpunkt seiner Tour nicht. Während der Erhebungen der Einsatzleitung brach auch der Kontakt zu ihm immer wieder ab. Eine Handypeilung ergab schließlich den Großraum Gesäuseeingang bis Bahnhof Johnsbach.
Der Wanderer konnte unverletzt auf einer Forststraße im Lauferwald, nördlich vom Himbeerstein, aufgefunden werden.“
(Alpiner Rettungsdienst Gesäuse)

Hier der Blick von der ansteigenden Forststraße auf den Himbeerstein mit der Haindlmauer…

…und mit der Hochtorgruppe. Man sieht die Wiese, welche ich im Aufstieg überquert habe und die gerodete Fläche, welche vielleicht den besseren Aufstieg bieten würde.

Jetzt will ich die Hausmauer auch nicht unbestiegen lassen und suche mir einen Aufstiegsweg. Bäume liegen geknickt, gekrümmt und ausgerissen herum.

Ein alter Zaun zieht über die Felsen der Hausmauer. Einen darübergefallenen Baum benutze ich zum Übersteigen des Drahtwerks. Dabei überkommt mich ein leichtes Gefühl der Illegalität. Das legt sich aber bald, weil ich nicht viel Zeit zum Nachdenken habe.

Weiter geht’s über den Grat…

…bis zu dieser waldmoosigen Kletterstelle (I-er).

Mittlerweile ist Wind aufgekommen. Und im Singsang der Holz-Materie fliegen Milliarden Baummöglichkeiten durch die Luft.

Nach einem kurzen aber steilen Anstieg bin ich oben. Obligatorisch und unverzichtbar: Gipfelfoto Hausmauer (1015 m).

Das Erreichen dieses Felsgipfels war jetzt viel schwieriger als erwartet und somit ist er für mich mehr als nur ein Füllsel in meiner Gipfelliste. Und auch der Tiefblick kann sich sehen lassen.

Den Rückweg wähle ich anders – über baumdurchsetztes Felsgelände mühe ich mich vorsichtig hinab. Hier ein Rückblick auf mein Abstiegsgelände. Mehr heikel als schwierig war das jetzt, nicht ohne Gruselmomente für mich.

Es folgen noch zwei Kilometer auf der Forststraße und dann bin ich wieder am Ausgangspunkt. Und ja, schön war’s am Himbeerstein.

Im Anstieg etwa 800 Hm und zurückgelegte Entfernung nahezu 14 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Ennstaler Alpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Die Bildbeschriftung erfolgte mit:
PanoLab Beschriftungsprogramm für Panoramabilder Ⓒ Christian Dellwo.

Otto Ampferer (1935): Geologischer Führer für die Gesäuseberge: Mit einer geologischen Karte 1 : 25.000, Kartenerläuterungen und Beschreibung von 16 Wanderwegen. Verlag Geologischen Bundesanstalt, Wien.

Von Helmut gibt es den Bericht einer Überschreitung bis zur Ennsbrücke nach Gstatterboden: https://hs-bergtouren.blogspot.com/search/label/Himbeerstein (abgerufen am 26.9.2020)

Kren (2019): Stichwort Gesäuse. Eigenverlag. Admont.

Kren (2011): Tourenbuch Gesäuse Wege, Hütten, Gipfel. Schall Verlag,Alland

Schwanda (1990): Das Gesäuse: Von der Alpenstange bis zum VII. Grad. Bergverlag Rother, München.

Heitzmann (1989): Gesäuse. Landesverlag, Linz.

Otto Ampferer (1935): Geologischer Führer für die Gesäuseberge: Mit einer geologischen Karte 1 : 25.000, Kartenerläuterungen und Beschreibung von 16 Wanderwegen. Verlag Geologischen Bundesanstalt, Wien.

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