Großer Buchstein

An diese Bergtour habe ich schon lange gedacht, und dieses Wochenende ist es endlich so weit.  Am Tamischbachturm und auf der Tieflimauer war ich schon. Sogar die selten besuchte Almmauer habe ich schon bestiegen, jetzt ist es wirklich an der Zeit, zum Hausherren aufzubrechen. Ich besteige über den Südwandband-Klettersteig den Großen Buchstein (2224 m), und im Abstieg wähle ich den Wenger-Weg.

Vom Buchauer Sattel kommend, habe ich (wie fast jedes Wochende) diesen Blick zum Großen Buchstein.

Ich fahre weiter durch den Gesäuseeingang auf die Hochtorgruppe zu. Es ist Freitag Nachmittag und noch sehr heiß. Ich werde im Buchsteinhaus übernachten und am Samstag über den Südwandband Steig auf den Gipfel steigen.

Mein Fahrzeug parke ich neben drei anderen in Gstatterboden und mache mich auf den Weg.

Die Nachmittagssonne dieses Tages meint es noch gut mit den Badenden in ihren Bikinis und Badehosen. Für mich Wanderer mit meinem schweren Rucksack und den festen Schuhen, ist die Hitze schon eine echte Plage. Aber mein erster Blick auf die Buchsteinsüdwand bestärkt mich gleich wieder.

Auch der Anblick der gegenüberliegenden Hochtorgruppe motiviert mich ebenso.

Für meinen Geschmack führen viel zu wenig Abschnitte durch Wald. Dieser Eindruck kann bei schlechteren Witterungsbedingungen ein ganz anderer sein.

Am zerklüfteten Pichlmayerkogl (1450 m) vorbei…

…befinde ich mich nach zweieinhalb Stunden beim Buchsteinhaus. Vielleicht hätte ich doch etwas später weggehen sollen. Die in vielen Berichten erwähnten, sich endlos hinziehenden Aufstiegskehren, habe ich nicht so empfunden.

Erstes Panorama nach meiner Ankunft.

Der Blick von der Terrasse zur Südwand und darunter ein Bild mit dem eingezeichneten Verlauf des Steiges durch die Südwand.

Rot eingezeichnet, der Verlauf des Klettersteiges.

Niedere Tauern gezoomt. Von links: Gamskogel (2386 m), Großer Grießstein (2337 m), Sonntagskogel (2229 m), Geierkogel (2237 m).

Zinödl und Planspitze im Zoom.

Dachl, Hochtor, Haindlkarturm, Festkogelturm, Festkogel, Ödsteinkarturm, Großer Ödstein, Kleiner Ödstein.

Mit ausgebreiteter Karte, einer guten Suppe und einem feinen Bierchen, genieße ich den späten Nachmittag.

Mir wird mein Quartier gezeigt, ich darf sogar noch duschen und freue mich, einen ganzen Schlafraum nur für mich zu haben.

Ich habe viel Zeit und probiere alle vorgegeben Motivprogramme meiner Camera. Die beiden folgenden Fotos sind mit Hilfe eines solchen Programmes entstanden – leider weiß ich nicht mehr, mit welchem.

Zu späterer Stunde erreicht zwei Freunde des Buchsteinhauses der Ordnungsruf der zu Hause gebliebenen Zukünftigen des einen und der Ehefrau des anderen. Jener mit der Ehefrau würde gerne bleiben, der mit der Zukünftigen, drängt auf Heimkehr. Ob sich daraus allgemeingültige Erkenntnisse ableiten lassen?

Dies ist kein bearbeitetes Foto. Hochtor im Abendrot.

Nach einer mittelprächtigen Nacht, ich habe die erste Nacht in fremden Gefilden immer so meine Problemchen, wecken mich Tatendrang und Blase. Frühstück gibt es ab 7 Uhr und als Frühaufsteher bin ich um 6 Uhr schon abmarschbereit. Ich habe aber keine Eile und warte.

Ein verwegenes Eisenerzer Mädel hat die Nacht im Freien verbracht.

Gestärkt vom Frühstücksbuffet, hält es mich nicht mehr, und ich breche als erster auf.

Schon die Morgenstunden künden von der Hitze des Tages.

Immer schrofiger und steiniger wird der Weg.

Die geistige Vorwegnahme der Wegführung gelingt mir nicht. Immer zieht der schmale Pfad anders höher als zuvor angenommen.

Welch dramatische Szenerie bietet sich hier, wenn die Wassermassen nach einem Gewitter niederstürzen. Der ausgewaschene Weg lässt ahnen, wie es hier auch aussehen kann.

Buchstein_103 (CC)

Ich erreiche den „Anseilplatz“ für den Klettersteig. Da schon im Aufstieg starker Wind weht und ich völlig alleine bin, herrscht eine entrische Stimmung. Das Anlegen meiner selten genutzten Klettersteigausrüstung hunzt mich, und danach brauche ich auch lange, um den ungesicherten Einstiegsbereich zu finden. Zu diesem weißen Punkt in der Bildmitte muss ich.

Ich kann sehr lange ohne Sicherungsbedürfnis steigen. Der Steig ist ausgesetzt, aber wie in den Beschreibungen zu lesen ist, nicht schwierig.

Buchstein_108 (CC)

Für mich als Ungeübten, ist er aber allemal eine Herausforderung. Ich werde auch von einem Kletterehepaar, deren ursprüngliches Vorhaben eine Kletterroute im fünften Schwierigkeitsgrad gewesen wäre, im Eilzugstempo überholt.

Die Ausgesetztheit in der Wandmitte ist schon sehr reizvoll.

Buchstein_112 (CC)

An der Schattengrenze kann man die bräunliche Abkletterstelle im Steig gut erkennen.

Hier geht es schon zur Ausstiegsscharte und zum Plateau.

Ich dürfte samt Berg in das Weltall geflogen sein. So schaut kein irdischer Himmel aus.

Ein lange ersehntes Ziel ist erreicht. Der Gipfel des Großen Buchsteins (2224 m) mit vielen Gipfelimpressionen.

Panorama Buchsteinplateau.

Panorama mit Hochtor und Admonter Reichenstein.

Buchstein_133 (CC)

Der Tamischbachturm (2035 m) mit der „gschamigen“ Almmauer (1764 m).

Admonter Becken.

Haller Mauern.

Reichenstein mit Bösensteingruppe dahinter.

Buchstein_151 (CC)

Am Normalweg soll noch ein großes, unangenehmes Schneefeld liegen. Aber den Anstiegsweg zurück möchte ich auch nicht gehen. So verbünde ich mich zumindest „moralisch“ mit einem netten Gipfelkollegen, und wir beschließen, den uns beiden unbekannten Wengerweg im Abstieg zu gehen. Ich habe mich, so gut es ging, auf diese Tour vorbereitet, und der Wenger Weg wird ja mittlerweile trotz seiner II-er Stellen fast als Normalweg gegangen.

Über uns schraubt sich dieser Segelflieger geduldig in die Höhe.

Tatsächlich wird der Wengersteig mit II angeschrieben. Das kann im Abstieg ja interessant werden.

Und es ist interessant. Völlig zugeschottert, rutschig und in manchen Bereichen ist die Wegführung auch nicht einsehbar. Für einen vorsichtigen Menschen eine einzige Provokation.

Mir wäre echtes Klettergelände lieber, als dieses langezogene, einem Kugellager ähnelde Rutschgelände.

Mit Hosenbodenunterstützung und Geduld gelingt mir der Abstieg, an diesem Tag noch haarscharf im Rahmen meiner Möglichkeiten. Im Aufstieg kann ich mir den Steig gut vorstellen, aber im Abstieg, ohne genau zu wissen wie er verläuft, ist er eine echte Herausforderung.

Da ich den Steig nicht aufgestiegen bin, ist die Wegfindung stellenweise schwierig.

Meine moralische Unterstützung ist weit voraus. Knapp vor dem Ende höre ich ihn noch fragen, ob alles in Ordnung sei. Er hat in kameradschaftlicher Weise auf mich gewartet. Dankeschön auf diesem Weg.

Kaum zu glauben, aber da muss ich runter.

Hier beginnt die Situation sich für mich zu entspannen.

Der Abstieg ist gelungen. Hier sieht man die eisenversicherte Einstiegsstelle.

Ein paar Höhenmeter bis zum Normalweg muss ich aber noch absteigen.

Buchstein_174 (CC)

Mir sind die vielen Erinnerungssteine und Gedenktafeln an abgestürzte Bergsteiger nahe gegangen. An nicht vielen Bergen habe ich so viele gesehen. Eine besonders tragische Geschichte hat sich im Jahre 1913 am Buchstein zugetragen. Der Wiener Kaffeehausbesitzer F. Komposcht, der sich mit einem Begleiter beim Abstieg vom Großen Buchstein verirrte und drei Nächte biwakieren musste, hat seinem Leben aus Verzweiflung selbst ein Ende gemacht. Man fand Aufzeichnungen, aus denen hervorgeht, dass der Unglückliche, der sich im Zustande vollständigster Erschöpfung befand (…) aus Angst vor dem langsamen Zugrundegehen durch Öffnen der Pulsadern (…) am 17. Juli seinem Leben ein Ende machte (Gschwandtner et al.1997).

Um die Dimension zu verdeutlichen, ist auf dem nächsten Bild eine Gruppe mit drei Bergsteigern im Einstieg zum Wenger Weg zu erkennen.

Den weiteren Abstieg am Normalweg genieße ich jetzt so richtig.

Buchstein_178 (CC)

Die Sonne brennt unbarmherzig, heiß und ohne Unterlass. Ich kann ihr nicht entkommen, freue mich aber schon knapp oberhalb des Buchsteinhauses auf viele kalte Getränke.

Das Buchsteinhaus ist gut besucht. Sehr viele Kletterer und auch Familien mit Kindern befinden sich auf der Terrasse. Ich halte mich aber nicht lange auf und mache mich nach kurzem Aufenthalt weiter an den Abstieg.

Zurück in der grünen Zone, kühlt mich schon alleine der Anblick der schäumenden Enns. Ein gelungenes Bergwochenende findet sein Ende, und ich freue mich über meine Buchsteinbesteigung.

1.

Tag im Anstieg ca. 970 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 5,9 km.

2. Tag im Anstieg ca. 650 Hm und zurückgelegte Entfernung ca. 11,4 km

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

Weitere Unternehmungen in der Region Ennstaler Alpen (Auswahl):

Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Auferbauer (2003): Bergtourenparadies Österreich. Verlag Styria, Graz.

Auferbauer (2001): Gesäuse mit Eisenerzer Alpen. Wanderführer, Bergverlag Rother, München.

End (1988): Gesäuseberge. AV-Führer, Bergverlag Rother, München.

Frischenschlager  et al. (1996): Ennstal – Vom Dachstein bis zum Gesäuse. Wanderführer, Leopold Stocker Verlag, Graz.

Gschwandtner et al. (1997): Licht und Schatten im Gesäuse 100 Jahre Bergrettung. Eigenverlag Alpiner Rettungsdienst Gesäuse, Admont.

Heitzmann, Kren (2002): Gesäuse Nationalpark & Ennstaler Alpen. Steirische Verlagsgesellschaft, Graz.

Heitzmann (1989): Gesäuse. Landesverlag, Linz.

Heß/Pichl (1966): Gesäuseführer. Verlag Adolf Holzhausens Nfg., Wien.

Kren (2011): Tourenbuch Gesäuse Wege, Hütten, Gipfel. Schall Verlag, Alland.

Schwanda (1990): Das Gesäuse: Von der Alpenstange bis zum VII. Grad. Bergverlag Rother, München.

Zahel (2006): Die schönsten Gipfelziele zwischen Bodensee und Wien. Verlag Bruckmann, München.