Ennstaler Alpen XXS

Die ersten Schneefälle liegen schon drei Tage zurück. Ich hoffe, auf zweitausend Meter kein Weiß mehr anzutreffen und fahre nebelgeplagt, langsam Richtung Oppenberg. Aber bereits am Buchauer Sattel kann ich schon erkennen, dass noch viel Schnee auf den höheren Bergen liegt.

Das Wetter ist durchwachsen, und die Prognosen deuten auf keine durchschlagende Wetterbesserung hin. Ich disponiere um und beschließe, den Bergpygmäen der Ennstaler Alpen, den Dörfelstein mit gerade einmal 1074 m, zu besteigen. Sogar im Rother Wanderführer „Gesäuse“ der Auferbauers gibt es eine Beschreibung seiner Besteigung. Er ist der kleine Hausberg von Hall, und in seinen Anforderungen „meinem“ Buchenberg nicht unähnlich.

Ich parke direkt vor der Kirche und erkundige mich, ob ich mit meinem Auto nicht vielleicht einem anstehenden Begräbnis oder einer anderen kirchlichen Feier im Weg „parke“.

Der Pfad beginnt wenige Meter unterhalb der Kirche, und so eine Überraschung – beim Kirchenwirt! Es gibt einen großen Parkplatz, und hier zu parken wäre besser gewesen.

Ein sehr nasser, tiefer, gatschiger Steig führt neben einer kräftig gestutzten Hecke hinter dem Gasthaus aufwärts.

Beim Erreichen dieser Gstätten beginnt es aus dem Nebel zu regnen, es ist feuchtkalt,  und dies entspricht auch meiner eigenen Stimmungslage.

Dieser nebelige, vernieselte Tag ist ein trostloser Wiedergänger des vorigen Tages. Trostlos ist auch mein persönlicher Herbst in diesem Jahr. Ich musste von lieben Menschen am Grab Abschied nehmen. Schmerzliche Tage liegen hinter mir, wie viele warten noch auf mich?

Meine Regenausrüstung präsentiert sich ganz in blau. Die Regehülle für den Rucksack ist verkehrt aufgezogen, ich bin mit meinen Gedanken nicht ganz bei der Sache.

Der Weg durch den Nebel kann schon als Lebensmetapher herhalten…

…auch weil er stellenweise steil und mühsam ist.

Viel zu schnell erreiche ich den Gipfel (zumindest bin ich dieser Meinung). Ich rufe meine Frau an, um mich schon für das Mittagessen zurückzumelden.

Blick nach Admont. Der Himmel ist wolkenbedeckt und immer wieder nieselt es leicht.

Erst der Blick in das Gipfelbuch lässt mich stutzig werden. Dörfelstein West / Hallergipfel? Nur 1054 m hoch? Der Blick auf mein GPS sagt mir, dass hier kein Gipfel ist.

Trotzdem mache ich ein Foto mit dem nicht vorhandenen Gipfelkreuz auf diesem nicht vorhandenen Gipfel. Da kenn‘ ich keine falsche Scham.

Wenn das nicht der Gipfel ist, muss dieser woanders zu finden sein. Auf einem schönen, schmalen Steiglein, immer den von Föhren gesäumten Kamm entlang, gehe ich weiter.

Viele Wege führen auf diesen Grat. Sogar einen Zustieg mit Sicherungsseil von der Nordseite (Pitzalm) gibt es. Der Grat mit seinen Föhren schafft eine ganz eigene Laune bei seiner Begehung.

Jetzt habe ich den echten, den richtigen und wahren Gipfel erreicht. Dörfelstein Ost bzw. Wengergipfel mit 1074 m.

Die Höhe gibt zugleich das Gründungsdatum des Stiftes Admont an (E. Kren, Tourenbuch Gesäuse).

Nicht einmal die Haller Mauern oder den Pleschberg oder die Buchsteine kann ich erkennen. Genau so gut könnte ich irgendwo in Nordfriesland unter einer Wolkendecke stehen.

Hinter dem Lärcheck (1488 m), das ist die bewaldete Erhebung im Vordergrund, kann ich den Natterriegel (2065 m) erkennen. Im Graben rechts vom Lärcheck, führt der Haller Zustieg zum Admonter Haus.

Wie in einem Berggemälde von E.T. Compton präsentiert sich der Gesäuseeingang.

Für den Abstieg entscheide ich mich, den Martha-Wölger-Weg zu nehmen.

Durch einen lichtdurchfluteten Hochwald geht es zu einer verwachsenen Forststraße.

Meiner nachdenklichen Stimmung an diesem Tag entsprechen auch die folgenden Impressionen des kurzen Abstieges über Waldsteige und Forststraßen. Ich suche mir die Schätze an diesem Tag im Kleinen und freue mich am Detailreichtum der Natur.

Doerfelstein058 (CC)

Das erste Haus, auf das ich treffe, war das Wohnhaus der vielfach ausgezeichneten Mundartdichterin Martha Wölger. Das kleine Holzhaus erinnert mit seinen roten Fensterläden an eine alpine Schutzhütte. Weiters finden sich am Wegrand Holzbücher mit Gedichten der Mundartlyrikerin. Im Buch von Wolfgang Heizmann findet sich ein wunderbarer Beitrag von Liselotte Buchenauer zur Lebensgeschichte der 1992 verstorbenen Dichterin.

Doerfelstein070 (CC)

Ein schmales asphaltiertes Sträßchen führt mich zum Dorf zurück. Selbst der Pleschberg (1720 m) hat „Puder“ aufgetragen.

Die Wolken haben bereits durchhängende Bäuche, und bald wird es wieder regnen. Ein Tag ohne große Besonderheiten, dafür mit vielen kleinen Wohltaten, wenn man sie als solche erkennen kann.

Im Anstieg ca. 460 Hm und zurückgelegte Entfernung ca.6,1 km.

Senf dazu? Sehr gerne!

blog@monsieurpeter.at


Darf’s ein bisserl mehr sein?

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Besonders Umtriebige können auch noch im Tourenbuch und der Gipfelliste stöbern oder auf der Tourenkarte herum strawanzen.

Meine Quellen:

Ausschnitt aus Kompass Logo Karte 4309, Österreich digital.
ⒸKartografie: Kompass-Karten GmbH, Lizenz-Nr.8-0512-ILB.

Auferbauer (2001): Gesäuse mit Eisenerzer Alpen. Wanderführer, Bergverlag Rother, München.

Heitzmann (1989): Gesäuse. Landesverlag, Linz.

Kren (2011): Tourenbuch Gesäuse Wege, Hütten, Gipfel. Schall Verlag, Alland.

Walter (1989): Gesäuse mit Admont. Gebietsführer, Bergverlag Rother, München.